Essen mit Bedeutung – zum Forschungsprojekt von Francesca Zampollo

Die italienische Fooddesignerin Francesca Zampollo lehrt zur Zeit in Auckland und forscht aktuell zum Thema „Meaningful Food“ und macht dazu eine Umfrage in aller Welt. Sie hat mich via Kunststrudel aufgefordert, mich zu beteiligen und das habe ich sehr gerne getan.

Bedeutungsvolles Essen, Essen mit Bedeutung, Bedeutsames Essen, … hmm, erst einmal fiel mir nichts dazu ein. Dann begann ich über Geschmäcker und Essen in meiner Kindheit nachzudenken.

Die Sonntagsessen bei meiner Oma: Rinderbraten oder Gulasch mit Rotkohl und Klößen, Gänse- oder Entenbraten zu Weihnachten,  Salzkartoffeln, die ich nie mochte und seither nie wieder gegessen habe, Buttercremetorte zum Geburtstag, Butter-, Streusel- und gedeckter Kirschkuchen, oder unter der Woche nachmittags das gebutterte und gesalzene halbe Brötchen, das in Milchkaffee geditscht wurde.

buttercremetorte

 

Die alltäglichen Essen meiner Mutter: Schweinekotlett mit Bratkartoffeln und grünem Salat, Erbseneintopf (mit Schweineschwarte, brrr), Hühnerfrikassee, Nudelauflauf mit Kassler, Bratwurst mit Sauerkraut und Kartoffelpüree und Sonntags mal eine Schweinshaxe aus dem Römertopf.

Und die quietschbunten Produkte der siebziger Jahre: Tritop, Sunkist, C-frisch, Capri-Sonne, Wassereis, das aus dem Plastik gezutscht wurde, so einen schrecklichen Instant-Zitronentee, oder unglaublicherweise Eis aus der Tüte – ein Instantpulver, das vermutlich mit Milch angerührt wurde und das meine Mutter dann in den Eiswürfelsschalen gefroren hat. Das war das Highlight der Kindergeburtstage in den frühen 70ern.

Ich habe mich gerne in diesen schönen, romantischen und sentimentalen Erinnerungen verloren, aber nichts Bedeutungsvolles entdeckt.

Dann fiel es mir plötzlich ein: Linseneintopf. Linsenintopf koche ich mir immer dann, wenn ich friere, mich traurig, alleine, irgendwie unwohl fühle. Vorzugsweise im Herbst und Winter. Linseneintopf ist für mich die Quintessenz von Soulfood. Er tröstet, wärmt und umarmt meine Seele. Das funktioniert aber nur mit meinem Linseneintopf. Und der geht so:

Eine Handvoll kleingeschnittener Wurzeln (Möhren, Pastinaken, Sellerie, Petersilienwurzel) mit Zwiebeln und Knoblauch anbraten. 2 Lorbeerblätter und in Scheiben geschnittene Mettenden hinzufügen und alles sanft weiter dünsten lassen.
Derweil die Linsen kochen, am besten die braunen Tellerlinsen. Wenn es schnell gehen soll, geht das auch mit den fertig gekochten aus der Dose. Alles zusammenfügen und vor sich hin simmern lassen. Klein geschnittenen Ingwer hinzufügen und mit Salz und weißem Balsamico abschmecken. Mit einem Klacks saurer Sahen servieren.
Am besten schmeckt es natürlich aufgewärmt am nächsten Tag.

Es gibt noch ein paar weiterer Gerichte, die o. g. Effekt bei mir haben, z. B. nahezu alle Nudelgerichte, oder Süßkartoffeln aus dem Ofen mit Zeug drauf – inzwischen auch einer meiner Herbst/Winter Klassiker. Aber der Linseneintopf bringt es auf den Punkt.

Ich kenne das auch von anderen Leuten, die z. B. Hühnersuppe oder Rinderbouillon als tröstend und heilend empfinden für andere ist es Grießbrei, Mutter Beimer aus der Lindenstraße briet sich immer Spiegeleier wenn sie aufgebracht war …

Was mir aber partout nicht einfallen will, sind Gerichte, die man isst, wenn man glücklich, gut gelaunt und ausgesprochen fröhlich ist. Vielleicht gönnt man sich dann etwas besonderes, aussergewöhnliches, was man normalerweise nicht isst? Vielleicht geben Francescas Forschungsergebnisse darüber Aufschluss, vielleicht fällt Euch was dazu ein?

Ich bin so frei und schiebe diesen Beitrag mit in die Blogparade „Mein Kulturtipp für Euch“ von Tanja Praske. Als Ermutigung, sich mit der Kultur des Alltäglichen zu beschäftigen. In dem was wir essen und trinken, wie wir es zubereiten, wo wir es zu uns nehmen und was wir sonst noch damit anstellen, steckt enorm viel drin.

4 Kommentare

  1. Liebe Ute,

    endlich – darauf habe ich tatsächlich gewartet – die Kultur des Alltäglichen, die trotzdem etwas Besonderes ist, als Kultur-Tipp zu erhalten – herzlichen Dank dafür!

    Kultur ist viel und zwar nicht nur Hochkultur. Beim Lesen und auch Zuschauen überlegte ich mir, was ich für mich mit Soulfood verbinde. Mein erster Gedanke war das Essen nach dem Zahnarztbesuch als Kind, wenn der mal wieder bohrte und andere unangenehme Dinge im Mund tat. Festes Essen war da manches Mal tabu. Ich ertrug es nur, weil ich wusste, dass meine Ma ein ganz bestimmtes Essen für mich machte: Spiralnudeln mit heißen Vanillepudding. Das hat mich getröstet und das verbinde ich mit der Kinderzeit. Habe ich seither nie wieder gegessen, warum das so ist, weiß ich nicht.

    Solche Artikel lasse ich mir sehr gerne unterschieben – herzlichsten Dank und deine Linsensuppe werde ich garantiert mal nachkochen. Als Westfälin kommen da auch wieder wunderbare Erinnerungen hoch.

    Herzlich,
    Tanja

    • Liebe Tanja, oh das freut mich sehr. 🙂
      Spiralnudeln mit heißem Vanillepudding ist in der Tat – aussergewöhnlich. Als ich das geade las, fiel mir wieder ein, dass ich eine Schulkameradin hatte, bei deren Kindergeburtstag es Spaghetti mit Zimt und Zucker gab. Habe ich seither auch nie wieder gegesen.
      Ich hatte auch letztes Jahr von einer gemeinsamen Bekannten erfahren, dass es die Mettenden, also die weichen Mettwürstchen, wohl gar nicht in Bayern gibt. Scheint eine mittel- oder norddeutsche Spezialität zu sein. Falls Du eine geheime Quelle hast, weisst Du, womit Du Frau W. glückich machen kannst. 😉

  2. Pingback: Kultur-Tipp Berlin – Liebermann Villa am Wannsee | ehotel hotel news

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