Kreativmethoden aus dem Theaterproberaum

Anke von Heyl aka Kulturtussi hat eine Blogparade zum Thema Kreativmethoden eröffnet und dafür ihr Methoden-Schatzkästchen geöffnet. Bemerkenswert – werden diese Methoden doch gerne wie ein Geheimnis gehütet. Tatsächlich? Nach dem Motto „sharing is caring“ und wie Kerstin Hoffmann trefflich formuliert „Verschenke was Du weißt, verkaufe was Du kannst“, können wir Kreativarbeiter doch nur so voneinander profitieren.
Langsam fängt Fleisch

Da ich selber schon sehr von Ankes Methoden profitiert habe (ich sage nur ABC Listen – eine Offenbarung) möchte ich gerne ein paar für mich aufschlussreiche Erfahrungen aus dem Schauspieltrainig teilen.

Von Beruf bin ich Grafikdesignerin, aber mein Herz hängt auch sehr an der Schauspielerei. Als ich nun für diesen Beitrag meine Notizen und Unterlagen aus ein paar Jahren Schauspielunterricht durchforstet habe, ertappte ich mich immer wieder dabei, wie ich die diversen Spiele und Übungen mit meiner Arbeit als Grafikerin abgeglichen habe und feststellte, dass ich selber bei der gestalterischen Arbeit öfter von diesem Potential profitiere.

Als erste Erkenntnis gilt: Theaterarbeit funktioniert am Besten, wenn man sich voher ausführlich warm macht. Gut – Stimme und Körper sind ausschlaggebende Werkzeuge des Schauspielers und das ist für einen Autor oder Illustrator vielleicht erst mal nicht so einleuchtend. Aber – Bewegung und Kreativität stehen in direktem Zusammenhang, atmen und Sauerstoffzufuhr fördern die (Gehirn-)leistung – das weiß eigentlich jeder, und es hilft, den bis dahin aufgelaufenen Alltag abzuschütteln und sich auf das zu fokussieren, was da kommen soll. Also, ein strammer Spaziergang um den Block, ein bisschen Gymnastik am offenen Fenster, einmal ins schwitzen und aus der Puste kommen, tun gut.

Theater ist die Kunst des Augenblicks

Die Kernkompetenz des Theaters ist ja Geschichten zu erzählen und da gibt es folgende Klassiker aus dem Schauspiel- und Improtraining: (für Gruppen)

  •  Wort für Wort
    Alle Teilnehmer sitzen im Kreis. Es wird nun eine Geschichte erzählt, indem jeder reihum ein Wort sagt. Nach ein bisschen Übung achtet darauf, flüssig und mit Tempo zu arbeiten. Macht ab und zu auch mal einen Punkt und reiht nicht ellenlange Schachtelsätze aneinander. Achtet darauf, wirklich eine Geschichte zu erzählen, mit Anfang, Mitte Ende.
  • Geschichte mit Dirigent
    Die Teilnehmer stehen in einer Reihe nebeneinander, vor der Gruppe steht ein „Dirigent“. Zeigt dieser auf eine Person, beginnt diese eine Geschichte zu erzählen, bis der Dirigent auf die nächste Person zeigt. Der Satz muss in genau diesem Augenblick abgebrochen, bzw. weitergeführt werden, grammtikalisch richtig, ohne Wortwiederholung. Wer einen Fehler macht, scheidet aus.
    Nach ein paar Durchläufen kann man die Schwierigkeit steigern:

    • Das Sprechtempo anziehen
    • Bestimmte Worte sind verboten (und, aber, …)
    • das ganze auf Englisch
    • Bestimmte Buchstaben sind verboten
  • Erster und  letzter Satz
    In der Gruppe wird jeweils ein erster und letzter Satz bestimmt. Man kann auch vorher Sätze sammeln, auf Zettel schreiben und dann zwei ziehen lassen. Diese beiden Sätze sollten keinen inhaltlichen Zusammenhang haben. Zwei Personen erzählen nun abwechselnd Satz für Satz eine Geschichte, die schlüssig vom ersten zum letzten Satz führt.

Schriftsteller und Protagonist

  • Ein Schriftsteller sitzt an seiner Schreibmaschine und spricht das laut aus, was er auf seiner Schreibmaschine tippt. Der Protagonist führt das im Spiel aus. Der Protagonist gibt neue Impulse, die der Schriftsteller aufnimmt und beide entwickeln die Geschichte gemeinsam.

Mit das Schönste und das Schwierigste beim Theaterspielen ist, eine Figur zu entwickeln. Aus den papiernen Dialogen einen glaubhaften Menschen aus Fleisch und Blut zu bauen. Das fängt beim Kostüm an, geht über die Art zu sprechen, sich zu bewegen, Angewohnheiten und Tics zu entwickeln.
Es gibt unendlich viele Übungen, die dabei helfen, eine Figur zu gestalten. Zwei davon sind:

  • Eine erste Fingerübung in der Gruppe
    Alle sitzen im Kreis und es wird eine Figur gebaut, indem eihum äußerliche und innere Attribute genannt werden – angefangen beim Namen. Sobald einer in der Gruppe das Gefühl hat, die Figur stimmt für ihn nicht mehr, ist sie gestorben und eine neue Figur wird gebaut.
  • Psychologisches Interview / Heißer Stuhl
    Eine Person sitze als die betreffende Figur beim Psychologen auf der Couch und wird von diesem befragt. Eine Alternative ist der heiße Stuhl, wo der Figur auch von einer ganzen Gruppe „knallharte“ Fragen gestellt werden können.
    Dieser Szenario ermöglicht es, tief in die Figur einzudringen

Das Schwein muss im Körper bleiben

Nachfolgende Methoden sind von eher allgemeiner Natur,  ich habe sie aber durch die Theaterarbeit schätzen gelernt.

  • Genre
    beliebte Übung aus dem Improtheater: Eine Geschichte, einen Plot in einem bestimmten (Film-) Genre zu erzäheln, bzw. ein und denselben Plot in unterschiedlichen Genres zu spielen/erzählen.
  • Übertreibung / Parodie
    Um sich einen Text anzueignen hilft es manchmal, ihn zu flüstern, zu schreien, in einem Dialekt oder mit einem Akzent zu sprechen.
    Das gilt auch für die Figurentwicklung. Erst mal dick auftragen, ganz extrem sein, um die Essenz zu begteifen.
    Eine klassische Übung ist beispielsweise, dem Charakter der Figur ein Tier zuzuordnen. Man erarbeitet sich erst das Tier, das Verhalten, den Gang, die Nahrungsaufnahme, das Verhältnis zu anderen Tieren, usw., übt das sehr intensiv, um dann kleine Details in die Figur mit einzuarbeiten.
    Es geht z. B. die Legende, dass sich Anthony Hopkins Hannibal Lecter mit einem Reptil erarbeitet hat. Man erkennt das am züngeln oder daran, dass er (angeblich) im ganzen Film nicht ein einziges  Mal blinzelt (ich habe das nicht überprüft)
Mit Größenverhältnissen spielen

Mit Größenverhältnissen spielen

  • Abstraktion
    Nimm einen beliebigen Gegenstand aus Deinem Umfeld und ordne ihm fünf neue Bedeutungen/Funktionen zu. Benutze den Gegenstand entsprechend.
    Was könnte zum Beispiel ein Besen alles sein? Ein Paddel, ein Speer, eine Pole-Dance Stange, ein Spazierstock, ein Zepter, ein Baseballschläger, …
    Als Kind haben wir das ständig gemacht und es ist eine hervorragende Übung um die Phantasie anzukurbeln.
Ein Bett kann auch ein Garten sein

Ein Bett kann auch ein Garten sein

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