Kunst- und Kulturmarathon in München

Am letzten Novemberwochenende trafen sich die Macher der stARTconference und die Organisatoren der diversen stARTcamps in München, um sich besser zu vernetzen und um das Jahr 2013 zu planen.

Haus der Kunst

Die Kulturkonsorten hatten uns ein schönes Rahmenprogramm organisiert.
Am Freitag trafen wir uns im Haus der Kunst um eine Führung durch die Ausstellung „ECM — Eine kulturelle Archäologie“ zu genießen. Persönlich begrüßt vom Direktor Okwui Enwezor und begleitet von Anna D. Schüller fühlte ich mich gleich adoptiert von dem Haus, das Twitterer und Blogger gleichwertig behandelt wie Journalisten.

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1969 gründete Manfred Eicher das Label ECM (Edition of Contemporary Music),
„um improvisierte und Avantgarde-Musik einzuspielen, zu produzieren und zu veröffentlichen. Als eines der ersten von Musikern geführten Plattenlabels in Europa achtete ECM auf Werktreue statt auf kommerzielle Trends und setzte mit seinen kristallklaren Aufnahmen neue Maßstäbe, was Detailtreue, Transparenz und Tiefe von Plattenproduktion angeht.“

Beeindruckt hat mich der Jean-Luc Godard gewidmete „Hörfilm Raum“. Komplett mit rot überzogenem Schaumstoff ausgelegt (auch der Boden), dunkel, nur von einer kleine rote Lampe beleuchtet. In der Mitte ein (rotes) Polstermöbel, an einer Wand Filmstills aus „Nouvelle Vague“, schien man in ein Filmset von David Lynch geraten zu sein. Zu hören war der Film „Nouvelle Vague“. (Ja, zu hören!)

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„“Nouvelle Vague“ markierte den Beginn der künstlerischen Zusammenarbeit zwischen Jean-Luc Godard und Manfred Eicher und enthält Musik von Dino Saluzzi, David Darling, Meredith Monk sowie Hindemith-Interpretationen von Kim Kashkashian.“

Ähnlich ein anderer dunkler Raum, in dem in der Mitte eine Leinwand von der Decke hängt – scheinbar schwerelos schwebt, und auf beiden Seiten unterschiedliche Musikfilme zu sehen sind.

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Synästhetische Ausstellungsgestaltung!

Die Ausstellung läuft noch bis zum 10.02.13 und ist ein Muss für Musikfans.

Tweetup im Jüdischen Museum

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Abends gab es dann das große offizielle Tweetup im Jüdischen Museum in der Ausstellung “Juden 45/90 – Von ganz weit weg – Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion“
Das Museum hatte exklusiv für uns ausserhalb der regulären Öffnungszeiten geöffnet, es gab ein kleines Catering (und einen großen Rotwein!), das Interesse der Presse war bemerkenswert.
Piritta Kleiner leitete die Führung sehr kompetent und mit viel Engagement.

„Die Ausstellung geht der Frage nach, welche Erinnerungswelten die Einwanderer aus ihrem Herkunftsland mitgebracht haben. …
Einwanderer aus der Sowjetunion und ihren Nachfolgestaaten sind unserem Aufruf gefolgt, ihre osteuropäisch-jüdischen Erinnerungswelten in das Gedächtnis der Münchner Stadtgesellschaft einzubringen und der Öffentlichkeit vorzustellen. 23 heutige Münchnerinnen und Münchner verbanden ein aus der früheren Heimat mitgebrachtes Objekt mit häufig sehr persönlichen Erinnerungen. Außerdem gaben alle Objektleihgeber Auskunft zu ihrer Migration von Ost nach West anhand der Fragen nach Auswanderung, Jüdischsein, Identität und Heimat.“

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Mitgebracht wurden zum Teil so obskure Objekte wie Geigerzähler, elektrische Kochplatten, medizinische Watte aber auch Kochbücher, Gebetsbücher, Musikinstrumente, Geschirr. Hinter jedem Alltagsgegenstand steckt eine persönliche, oft anrührende Geschichte, durch die (Welt-) Geschichte ganz nah, fassbar und verdichtet wird.

Daneben gibt es Video-Interviews von Immigranten, viele Zitate, in Szene gesetzt von chezweitz & partner, Berlin

Hier findet sich die Nachlese zum Tweetup, und die Zusammenfassung der Tweets bei storify.

Die Ausstellung läuft noch bis zum bis 27. Januar 2013

LandArt im Haus der Kunst

Am Samstagnachmittag trieb es mich dann erneut ins Haus der Kunst um mir „Ends of the Earth – Land Art bis 1974“ anzusehen.
„Anfang der 1960er-Jahre begannen Künstler an verschiedensten Orten der Welt, mit Erde als Material zu arbeiten und sich mit der Beschaffenheit der Erde als Planet auseinanderzusetzen.“
Zum Teil war es mir ein bisschen zu esoterisch, aber es waren wunderbare Arbeiten bzw. deren Dokumentationen zu sehen. Überwältigend, wie Christo und Jeanne-Claude 1968-69 die Küstenfelsen in Little Bay, Sydney, mit Kunststoff und Seilen einpackten : „Wrapped Coast – One Million Square Feet“, zum Teil amüsant, z. B. die Fotoserie „Self Burial“ von Keith Arnatt, die im Oktober 1969 im WDR Fernsehen gezeigt wurde.
An acht Tagen hintereinander wurden die Fotos  jeweils um 20:15 Uhr und 21:15 Uhr ohne Ankündigung und ohne Kommentar im regulären  Programm gezeigt. Erst nach dieser Woche wurde die Aktion  durch ein Interview mit dem Künstler „aufgelöst“.

(Meine Güte, war der WDR mal experiementell und mutig!)

Das „California Map Project I-III“ von John Baldessari, der den Schriftzug „California“ wie er auf einer Landkarte steht an den jeweiligen Orten in die Realität übertrug und die Staatsgrenze zu Mexiko mit farbigen Pigmenten einfärbte.

Oder „Hog Pasture: Survival Piece #1“ von Newton Harrison.

Hog Pasture: Survival Piece #1

Ein ca. 2,5 x 10 Meter großer Holzkasten gefüllt mit Erde und mit „R. Shumway Seedsman’s Annual Hog Pasture Mix“ bepflanzt. Bei der ersten Ausstellung 1971 im Museum of Fine Arts in Boston erlaubte das Museum nicht, das Schwein als Teil der Installation mitzubringen und das Weidegras wuchs ungestört vor sich hin. Im Haus der Kunst darf charmanterweise wenigstens ab und an ein Schwein darauf weiden.

Die Ausstellung läuft noch bis zum 20.01.13

Museum Brandhorst

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Zum Abschluss schaute ich noch ins Museum Brandhorst. Die Museumsarchitektur, von aussen klar und sachlich wirkt innen durch die massive Holztreppe eher wie eine evangelische Kirche, aber naja.
Meine Highlights in der Ausstellung war zum einen „Lullaby Spring“ von Damien Hirst, eone 9 Meter lange Wandvitrine mit hunderten (?) von Pillen, die – und das war für mich neu – alle aus Gips hergestellt und perfekt bemalt und beschriftet sind.

Zum anderen die Videoarbeit „The Buzzclub, 1996/97“ von Rineke Dijkstra.
Sie  bat Jugendliche in einer Diskothek in einen neonlichthellen Nebenraum, um sich dort genau so zu verhalten wie in der Diskothek. Dieses herauslösen von Verhaltensweisen aus dem Kontext lässt es wie eine Versuchsanordnung aussehen. Und man möchte den Protagonisten zurufen: Keine Angst, dieser Mist hört bald auf! Wohl wissend, dass sie inzwischen diese schrecklich-schöne Zeit auch hinter sich haben.

München, Du hast mich überrascht und mich für dich eingenommen!

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