Nach der Corona Lücke und ein bis zwei Aussetzern war ich in diesem Jahr mal wieder auf den Passagen, ein Ausstellungs- und Veranstaltungskonzept für Möbel und Design in ganz Köln, das seit den 1990er Jahren immer parallel zur Internationalen Möbelmesse stattfindet.
Ich hatte mich über das sehr abgespeckte Programm gewundert: Waren es vor Corona über 200 Ausstellungsorte, waren es in diesem Jahr nur 100. Aber ich hatte nämlich gar nicht mitgekriegt, dass die Möbelmesse in diesem Jahr ausfiel. Der Branche geht es also auch schlecht.
Was mich bei den Passagen immer besonders interessiert ist, mal an besondere Orte zu kommen und wirklich Neues, Innovatives und Experimentelles zu entdecken. Ich finde es immer spannend zu sehen, womit sich Studierende beschäftigen und was in der Off-Szene passiert. Will sagen, die handelsüblichen Möbelgeschäfte interessieren mich nicht.
Am Samstag hatte ich einen Termin in der Südstadt und habe danach die Gelegenheit genutzt, mir dort etwas anzuschauen. Eigentlich ist bei den Passagen dort auch immer viel los, insbesondere ist da die KISD immer interessant, die war aber gar nicht dabei und auch sonst war es sehr mau.
Ich war im Atelier Dorrit Nebe, wo Patrizia Marchese ihre lustig bunten Assemblagen ausstellte.
Das Haus Gotland kannte ich auch nicht. “Das rote Holzhaus im Volksgarten ist ein geschichtsträchtiges Wahrzeichen der Stadt. Als Geschenk Schwedens nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet, diente das Gebäude zunächst dazu, hungernde deutsche Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren mit der sogenannten Schwedenspeisung zu versorgen.” Studierende des Fachbereichs Design der Fachhochschule Dortmund zeigten dort Objekte, Modelle und Inszenierungen, in denen die Themen Partizipation und Begegnung erfahrbar waren. Joar.
Zum Rheinauhafen gegangen, wo im Kunsthaus Rhenania die AR-Installation Am I? der Agentur Elastique zu bespielen war. Das hatte nichts mit Möbeln oder Design zu tun, war aber trotzdem toll. Man bekam am Ende einen QR-Code, mit dem man sich das ganze als Film herunterladen konnte. Hier zwei Screenshots.
Ein Hotspot der Passagen ist ja immer Ehrenfeld, mit der Designers Fair und den vielen kleinen Stationen, insbesondere in der Körnerstraße. Meinen ersten Anlaufpunkt gab es gar nicht. Das ist mir in der Vergangenheit schon mal passiert, trotzdem ärgerlich. In der Dingfabrik war nichts besonderes zu sehen, außer dass man die Dingfabrik besichtigen konnte, grundsätzlich natürlich gut zu wissen, was man da alles machen könnte. (Holz- und Metallverarbeitung, Tiefziehen, Siebdruck, nähen, 3D-Druck, lasern, u. v. m.) Im Programmheft hatte sich ein Tippfehler eingeschlichen und die Öffnungszeit war mit 7.00-20.00 angegeben, was der Mensch vor Ort nicht so prickelnd fand. Gemeint war vermutlich 17.00 Uhr.
Apropos Programmheft. Seit immer war es im praktischen DIN lang Format, was man gut in eine Tasche schieben konnte, im orange/schwarz Corporate Design der Passagen. Warum man ausgerechnet in diesem Jahr, in dem es ca. 50% weniger Programmpunkte gab, auf ein unpraktisches DIN A 5 Format umstellte und was da bei Corporate Design schief gelaufen ist, bleibt wohl ein Geheimnis.
Die Designers Fair fand diesmal in der Pattenhalle statt. Auch hier war bei meinem Besuch einiges geschlossen oder nicht da. Nojo.
Mein erstes echtes Highlight waren dann die Produkte von House of Thol. Die niederländischen Designer*innen beschäftigen sich mit zukunftsfähigem Design. Zum Beispiel das sehr hübsche Bewässerungssystem für Zimmerpflanzen aus Glas und Ton, die hübsch gestaltete Messingscheibe Helios als Wachstumshilfe für für die Anzucht von Stecklingen, Zwiebeln und Kernen, oder das kleine Set Patella Crescenda , mit dem man Sprossen ziehen kann und das so hübsch ist, dass man es mit auf den gedeckten Tisch stellen kann, um seiner Mahlzeit ein frisches Topping hinzuzufügen.
Sehr überzeugend fand ich die Patera Magna. Ein Tongefäß mit zwei Etagen, in dem man gleichzeitig alles Obst und Gemüse aufbewahren kann, auch solches, das Ethylen abgibt, was andere Sorten zur schnelleren Reifung bringt. Zudem kann die Schale mit Wasser gefüllt werden und sie kühlt somit sanft durch Verdunstungskühle.
Hübsch fand ich noch die textilen Wandbilder von JuniJuli, die mit schönen Natur-Zeichnungen bedruckt, mit einem sehr simplen Stecksystem ausgestattet sind und eine asiatische Anmutung haben.
Schockverliebt habe ich mich in die Glasvasen/-karaffen Bøje mit konischem Boden von Malte Zaversnik. Die waren zu sehen in der Präsentation des 5. Semesters der Akademie für Gestaltung der Handwerkskammer Münster.
Sehr gelungen fand ich auch die Becherleuchten von Martin Neuhaus. Eine minimalistische Wandleuchte, die durch einen Kunststoffbecher einen virtuellen Lampenschirm erhält.
Ich stromerte noch durch die Körnerstraße, wo mich aber nichts animierte und besuchte die Fotoausstellung im Bunker Körnerstraße, die von Köln Design organisiert war.
In der Innenstadt entdeckte ich einen schönen Ort: Domus Ideas. Räumlichkeiten, die man für Workshops oder Seminare buchen kann. Dort haben mich die aus natürlichen Materialien (Holz, Kork, Algen, Muscheln) 3D-gedruckten Vasen und Übertöpfe von Christian Tack nachhaltig beeindruckt. Christian ist Mitgründer von Rebelworks, einem Dienstleister für (klassischen) 3D-Druck.
Seine Studien mit diesen Materialien sind wohl noch im Experimental-Stadium.
Nicht nur, dass die Vasen sehr ästhetisch sind, er hat sich dafür auch mit sehr alten, traditionellen japanischen Mustern auseinandergesetzt. Und seine Frau, die Japanerin ist, hat die wunderschönen Ikebana-Arrangements gestaltet.
Zudem war ich noch im ehemaligen Stoffpavillon Möller, diesem architektonischen Highlight von 1952 im Riphahn-Ensemble auf der Hahnenstraße. Hauptsächlich, weil ich den endlich mal von innen sehen wollte. Leider steht das Gebäude ja schon seit vielen Jahren meistens leer. Gezeigt wurde dort DT25 – Exhibition for innovative Interior Design, aber so richtig innovativ fand ich da nur wenig.
Vielleicht noch der ebenfalls 3D-gedruckte Stuhl Bounce von Philippe Bietenholz, den man als Datei kauft und sich selber ausdrucken kann. (Das Prinzip ist innovativ).
Die Steckdosen-Kamele (sie heißen Stromer, aber für mich sind es Kamele 😉 ) von Njustudio fand ich erst unsinnig, aber jetzt im Nachgang denke ich, dass sie vielleicht doch ganz praktisch sind. Sie werden aus FSC zertifiziertem Holz hergestellt, alles ist verschraubt und demontier- und ersetzbar, die Steckdosen sind aus wiederverwertbarem Polypropylen und alles wird in der Region Coburg hergestellt.
Ich finde es richtig gut, wenn sich Produktdesigner*innen mit Nachhaltigkeit, Wertschöpfung, Ökologie und Ressourcen auseinandersetzen. Sich Gedanken über die verwendeten Materialien machen (Herstellung, Transport und Entsorgung), Probleme mit ihren Produkten lösen. Sehr viele tun das. Aber bei vielen Dingen habe ich mich auch gefragt: Warum? Warum wird der 5237437. Holztisch/-stuhl entworfen – auch wenn er möglicherweise in exzellenter Schreinerkunst hergestellt ist. Oder das 548978. Sofa/Regal/Spiegel/Lampe.
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag schöne Dinge (siehe die schrägen Glasvase), oder mir gefiel z. B. das Stehpult von das kleine b sehr gut, oder die Tische und Stühle von Hafenholz. Hier dachte ich zuerst aufgrund des Namens, dass sie mit gebrauchtem Holz arbeiten. Das haben sie zu Beginn wohl auch getan, inzwischen aber nicht mehr. Das hat vielleicht Gründe.
Designer*innen haben die Skills und die Macht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Jetzt kann man sagen, ein schöner Ort ist auch ein besserer Ort – ja, das lasse ich gelten. Und ein handwerklich exzellent hergestelltes Produkt ist natürlich auch langlebiger als billig produzierte Massenware. Aber wir alle wissen um die Probleme dieser Welt und da gilt es doch, sorgsam mit den Ressourcen umzugehen und sich gut zu überlegen, mit welchen Produkten man die Welt noch belämmern will, auch wenn jede Designerin, jeder Designer von ihrem/seinem Produkt überzeugt ist. Klug und schön ist vielleicht ein Maßstab.
Vielleicht geht es der Möbelbranche auch deshalb schlecht, weil nicht alles klug ist.
Meine Eindrücke von den vergangenen Passagen.
Kluge Reflexion, liebe Ute. Deswegen lese ich so gerne hier mit. Und danke, dass du mit mir einmal kurz über die Passagen flaniert bist. Hab ich nen Überblick bekommen.
Wie schön. Danke dir! 🙂