In den letzten beiden Jahren habe ich die Konferenz Theater und Netz, die von der Böll Stiftung und Nachtkritik ausgerichtet wird, via Internet (Twitter- und Livestream) verfolgt. Für mich persönlich sind im letzten Jahr Theater und Netz noch enger zusammengewachsen, so dass ich diesmal die Konferenz unbedingt besuchen und vor Ort erleben wollte.
Aber leider war für mich war an dieser Konfernz so viel falsch.
Es begann schon im Vorfeld. Sehr lange gab es keinen fixen Termin. Für jemanden, der seine Reise (günstig) planen und u. U. Urlaub nehmen muss, wurde es irgendwann kribbelig. Ich habe mehrmals gequengelt und irgendwann hieß es dann, am 7. und 8. Mai. Das lag jetzt für mich relativ ungünstig zur re:publica. OK, es gibt Schlimmeres, als eine Woche in Berlin zu verbringen, aber meinen Urlaub würde ich eigentlich auch anders verbringen wollten, aber gut, mir war das wichtig und ich habe mich dafür entschieden. Ich dachte, wenn ich den ganzen Samstag auf der Konferenz bin (und schon mindestens 4 Konferenztage in den Knochen habe), kann ich am Sonntag früher zurück. Nachdem ich also alles gebucht hatte, hieß es dann plötzlich: Überraschung, Theater und Netz findet nur am Sonntag statt. Also habe ich meine Rückfahrt am Sonntag nach hinten verschoben und – natürlich kostenpflichtig – umgebucht. Das sind jetzt alles meine privaten Befindlichkeiten, aber in Sachen Organistion ist da noch Luft nach oben.
Die Konferenz begann mit drei parallelen Workshops, bei denen ich mich für das Blogger- /Worldcafé der Kulturfritzen entschied – und das war auch für mich das Highlight des Tages. Hier sollte es darum gehen, wie Blogger und Theater zukünftig gut zusammenarbeiten können, was die Wünsche und Erwartungen auf beiden Seiten sind. In kurzer Zeit wurden so viele prägnante Dinge genannt. Ich hätte mir gewünscht, dass noch mehr Theater-(macherInnen) dabei sind, aber das, was von den Theatern gesagt und gewünscht wurde (Partnerschaft, ehrliche Kritik, Begleitung der Arbeit, Kulturvermittlung, etc.), war sehr ermutigend und befeuernd. Ich bin sehr gespannt auf die Zusammenfassung und Analyse, der Kulturfritzen. Eine erste Aufbereitung ist schon da.
Parallel dazu gab es den Workshop von Christian Henner-Fehr „Vom Social Web zum digitalen Raum.“, den ich sehr bedauere verpasst zu haben und eine Präsentation der „CyberRäuber im Motion Capture Lab“. Den Vortrag von Björn Lengers hatte ich schon auf der Performersion gehört. Da er mit seinem Partner Marcel Karnapke über den ganzen Tag Slots zum erleben der Arbeit anbot, hatte ich mich darauf beschränkt. Dazu später mehr.
Es ging dann nach der offiziellen Eröfnung mit der ersten Podiumsdiskussion los, bei der sich Jürgen Trittin und der Regisseur Nicolas Stemann über Theaterkritik und (grüne) Politik zankten. Hatte nichts mit Netz zu tun.
Im Kurzvortrag von Arne Vogelsang „Medienkompetenztraining für Propaganda-Einsteiger“ ging es darum, wie sich sowohl rechte, als auch islamistische Gruppen und Einzelfiguren, Pop- und Netzkultur für Ihre Zwecke aneignen und nutzen. Das war hochinteressant. Hatte auch nichts direkt mit Theater zu tun, aber weil Arne Vogelsang Theater-, Performance- und Medienkünstler ist, passte es dennoch. Leider wurde der Vortrag nicht aufgezeichnet. Der Vortrag darf aus urheberrechtlichen Gründen nicht online gestellt werden.
Den Vortrag (Video) von Falk Richter fand ich gut, weil ich Falk Richter gut finde. Er hat seine persönliche Sicht der Ereignisse zu seiner Produktion „Fear“ dargestellt. Das war interessant und ich finde es ja grundsätzlich gut, wenn Theater/Kunst aus dem eigenen Kästchen rauskommt und gesellschaftliche Auswirkungen hat, auch wenn es nicht unbedingt in einer Klage oder Morddrohungen gegen den Regisseur münden muss. Hatte aber auch nichts mit Netz zu tun.
In der anschließenden Podiumsdiskussion „Die offene Netzgesellschaft und ihre Feinde“ ging es um Internetkommentare, Hatespeech und Trolle. Hatte nichts mit Theater zu tun.
Beim nächsten Panel „Bastion der Mitte oder Ort des Gegendiskurses? Quo Vadis, Theater?“ saß dann endlich auch mal eine Frau auf der Bühne, Kira Kirsch, die einzige neben der Konferenz-Mitorganisatorin Esther Slevogt, und wenn ich es recht überblicke, auch die einzige Vertreterin der freien Szene, die aber nicht maßgeblich zu Wort kam. Irgendwie ging es um das Theater der Vergangenheit und Gegenwart und um epische Erinnerungen von Carl Hegemann an die gute alte Zeit. Ich musste da irgendwann aussteigen und kriege es auch jetzt nicht mehr richtig zusammen. Ich habe es nicht mal geschafft, mir jetzt die komplette Aufzeichnung anzuschauen, macht das bei Interesse bitte selber (Video). Hatte aber auch nichts mit Netz zu tun.
Zum Abschluss präsentierte Samuel Schwarz das transmediale Projekt Polder, das auf den Plattformen Theater, Alternate Reality Game, Kinofilm spielt. Im Zentrum steht der Gamekonzern NEUROO-X und seine bahnbrechenden Games, die die Grenzen von Realität und Virtualität auflösen. POLDER handelt von Usern, Genies, antiamerikanischen Affekten und amoklaufenden Extremisten, die sich als politische Attentäter sehen. Das ganze ist so komplex, dass ich gar nicht richtig kapiert habe, um was genau es sich da handelt. Aber sehr spannend, denTrailer solltet ihr Euch unbedingt angucken.
Ach ja, die Cyber Räuber. Haben auch nichts mit dem Netz zu tun, sind aber total digital. Wojtek Klemm, Marcel Karnapke und Björn Lengers arbeiten daran, „Die Räuber“ von Schiller in der Virtuellen Realität zu inszenieren.
Auf der Performersion hatte ich ja schon meine ersten VR-Erlebniss-Flashs gehabt. Nach meinem Erlebnis des realen VR Film „doghouse“ (Video), finde ich die animierten, gerechneten/gerenderten Animation, die an die Computerspiel der frühen 90er erinnern, etwas enttäuschend. Ich erwischte bei den Cyber-Räubern noch den letzten Slot des Tages. Die Produktionsfragmente waren erst teilweise und nur bruchstückhaft fertig, ließen aber schon erahnen, was mit Theater und VR möglich wäre, bzw. mal sein wird. Wie gesagt, nach dem real VR-Film war das visuell enttäuschend. Wenn ich mir aber vorstelle, mich irgendwann in einer Theatervorstellung selber durch die Szenerie bewegen zu können, selber Teil der Inszenierung zu werden, finde ich das sehr aufregend.
Über das Essen habe ich schon genug gerantet, das will ich hier nicht noch mal aufwärmen. (aufwärmen, ha ha ha)
Es ist ja nicht die einzige Konferenz/Veranstaltung, bei der das Thema so stiefmütterlich behandelt wird, da muss noch flächendeckender „herbergsmütterisiert“ werden.
Die Konferenz war kostenlos und offen für jeden. Das ist super. Aber da bezahle ich doch lieber 30 EUR, wenn ich dann den ganzen Tag auf einen Berg Butterbrote zugreifen kann.
Kaffee, Kekse und der Wein am Abend waren ausgezeichnet.
Tja. Hätte ich mir das Thema der Konferenz „[Digitale] Bühnen des Extremismus“, vorher genauer angeschaut, hätte ich vielleicht drauf kommen können, dass es gar nicht ums Netz geht. Aber warum heißt dann die Konferenz Theater und Netz? (Ist am Ende mit Netz gar nicht das Internet gemeint?).
Ich hätte zumindest Angela Richter auf einem der Podien erwartet, weil sie vor zwei Wochen mit Silkroad, ein Theaterstück über das Darknet, Premiere hatte, vor einem Jahr die interaktive Transmedia-Produktion Supernerds inszeniert hat und sich schon lange mit den Themen Whistleblower, Überwachung, Leaks, etc. im Theater auseinandersetzt. Das ist „Theater und Netz“ – nach meinem Verständnis. Wo waren die Akteure vom Zentrum für politische Schönheit? Das ist eine Bühne des Extremismus.
Es tut mir so leid, ich hätte die Konferenz so gerne gemocht, hätte mir gewünscht, dass es der krönende, inspirierende Abschluss meiner Berlinwoche wird. Wenn man sich wirklich genau auf diese Schnittstelle von Theater und Netz konzentrieren würde, könnte die Konferenz wirklich einzigartig sein und man würde nicht Gefahr laufen, sich von der re:publica, bzw. Performersion oder ähnlichen Formaten überholen zu lassen.
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