Wallonie aktiv: pedalieren an der Molignée, paddeln auf der Lesse, wandern an der Maas

Dass die Wallonie im Mai spektakulär ist, weiß ich seit unseren drei KultourWallonien, und so war ich hocherfreut, dass ich von Visit Wallonia zur Pressereise „Aktiv unterwegs an Maas, Lesse und Molignée“ eingeladen wurde. Aufhänger war das Buch „Ardennen mit Hohem Venn. Wandern für die Seele“ von Andreas Werner, der mit bei der Reise dabei war.

Wir starteten am Freitagmorgen von Köln in Richtung Dinant, um uns gut zwei Stunden später erstmal in La Brasserie du Moulin zu stärken. Die Boulettes à la bière de Maredsous waren super deftig und exzellent. Die Biersoße ist zum reinknien.

Gute Grundlage, um dann mit den Draisinen entlang der Molignée zu pedalieren. Das habe ich zum ersten Mal im Leben gemacht und es war ganz amüsant, Fahrrad zu fahren, ohne zu lenken oder auf den Verkehr achten zu müssen. Bei herrlichstem Wetter, durch wunderschöne Natur.

Abtei Maredsous

Danach fuhren wir zur Abtei Maredsous. Die relativ junge Abtei – gegründet und erbaut 1872 – wurde mit Mönchen aus der Abtei Beuron besiedelt. Das Interessante ist, dass hier von den Benediktinern nicht nur Bier gebraut und Käse hergestellt wird, sondern dass es hier eine Kunstschule gab.

1890 gründete Abt Hildebrand de Hemptinne hier eine Niederlassung der Beuroner Kunstschule, der auch Werkstätten angegliedert waren; aus dieser ging dann später die École Saint-Joseph hervor.

Er hatte die Vision eines idealen klösterlichen Mittelalters, in dem die Klöster über Kunstschulen für sakrale Goldschmiedekunst, religiöse Emaillekunst, das Binden liturgischer Manuskripte, Bildhauerei, Kirchenmöbel und die Herstellung von Gewändern für den Gottesdienst verfügen würden.

Mit diesem pädagogischen Ziel wurde die Schule 1903 mit 9 Schülern eröffnet. Das ganze florierte wohl sehr gut, es wurde auch für externe Kunden produziert. Mit dem Ersten Weltkrieg brach die Expansion ab und man überlegte, die Schule zu schließen, aber man entschied sich zur Konsolidierung. Von den Kunstabteilungen aus der Zeit vor 1914 werden nur noch die Goldschmiedekunst, die Emaillierkunst und die Holzbearbeitung (Kunsttischlerei, Bildhauerei) beibehalten. Stickerei und Buchbinderei verschwinden. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann sich das Schulkonzept zu ändern und es wurden nicht nur gute Kunsthandwerker ausgebildet, sondern Künstler. 1951 wurde zum letzten mal ein neuer Fachbereich geschaffen: Keramik, der von Professor Owczarek aus Paris betreut und dann lange von Antonio Lampecco geführt wurde. Seit seinem Tod 2019 führt sein Sohn Thierry die Tradition fort.

Auf dieser Seite zur Geschichte der Handwerksschule gibt es auch einige schöne historische Fotos aus den Werkstätten. (Ganz nach unten scrollen)

1964 wurde die Schule für Kunsthandwerk aus verschiedenen Gründen von der Abtei mit der Handwerkerschule von Namur zusammengelegt.

Leider habe ich das alles erst im Nachhinein herausgefunden. Und da machte es auch plötzlich Sinn, dass ich mein Bier – das Maredsous Brune – dort in der Klostergastronomie in einem Keramikbecher serviert bekam. In Belgien hat ja fast jedes Bier sein eigenes Glas, meistens in Pokalform. Am Abend hatte jemand aus der Gruppe im Restaurant auch ein Maredsous bestellt und bekam es in einem Keramik-Pokal serviert (habe ich leider nicht fotografiert).

Hofladen Vachement Ferme

Andreas Werner wusste, dass es in der Nähe einen Hofladen gibt, zu dem wir dann noch spazierten. Quasi im Nirgendwo liegt dieser reizende Laden. Den Hof als Familienbetrieb gibt es schon seit über 40 Jahren. Auf der Website kann man sehen, welche Tiere dort gehalten werden. Im Laden gibt es zwei Fenster zu den Ziegenställen, wo man gerade vier Zicklein mit lustigen Namen beobachten konnte.

Ich fand auch super, dass in der Kühltheke die verschiedenen Käse aus der Region mit Fotos ihrer ProduzentInnen angeboten wurden. Da hätte ich gerne einen Großeinkauf gemacht.

Hotel Les Sorbiers

Dann fuhren wir zu unserem Hotel, checkten ein und bewunderten die spektakuläre Architektur und den Park drumherum, direkt an der Maas gelegen. Les Sorbiers hat als erstes Hotel in der Wallonie das europäische Öko-Label erhalten.

Das Hotel ist so abgelegen, man sollte mit dem eigenen Fahrgerät anreisen. Reist man mit der Bahn an, wird man zwar vom Bahnhof abgeholt, ist dann vor Ort aber auf die eigenen Füße angewiesen. Les Sorbiers ist „Bienvenue velos“ akkreditiert, das heißt, eine Anreise mit dem Fahrrad sollte unkompliziert sein.

Leider habe ich nirgendwo etwas über die Architektur gefunden, wann die Gebäude für welchen Zweck erbaut wurden. Eingerichtet ist das Hotel modern und geschmackvoll.  Auf den Zimmern gibt es kein Telefon und keine Fernseher, das WLAN ist auch nur so mittel, dafür liegen am Bett kleine Serviervorschläge zum Lesen aus. (Leider nur auf französisch – und die Leselichtsituation war auch mal wieder sehr unbefriedigend).

Wenn man will, kann man hier auch glamping im Luxus-Zelt machen. Die kleine Insel in der Maas, gleich gegenüber des Hotels ist eine Natura 2000 Insel, die mit einem Guide besucht werden kann.

Gegessen und getrunken wird hier saisonal und regional. (dazu später noch mehr)
Es ist ein wunderschöner entschleunigter Ort.

Abendessen im Restaurant Le Bord’eaux

Unser Abendessen nahmen wir an diesem Tag  allerdings im Restaurant Le Bord’eaux ein, was mehr oder weniger gegenüber unseres Hotels auf der anderen Seite der Maas lag, in Ermangelung von Brücken, wurde es aber eine kleine Autofahrt. Und dass man dieser Tage ein gutes Menü am Abend für 32 EUR bekommt, bei dem immerhin der Hauptgang herausragend war – so herausragend, dass ich vergaß ihn zu fotografieren –  macht doch zuversichtlich.

Den Abend beschlossen manche Menschen in der Hotelbar bei einem guten Drink.

Mit dem Kajak auf der Lesse

Am Samstag stand dann für einen Teil der Gruppe eine Kajakfahrt auf der Lesse an, die andere Gruppe hatte sich für eine Wanderung durch den Park/Naturreservat Furfooz mit Andreas entschieden. Witzigerweise hatten sich im Vorfeld alle Frauen für das Kajak entschieden, die Männer fürs Wandern.

Ich hatte sowas schon einmal im Leben gemacht, auf den Wassern irgendwo in Berlin, was auch großartig war, wenn zwischendurch auch etwas hektisch, weil man größeren Schiffen ausweichen musste.

Hier auf der Lesse war das sehr unaufgeregt und auch ein herrliches Naturerlebnis. (Wenn nicht gerade diese Gruppe Junggesellenabschied, die kurz hinter uns ins Wasser ging, irgendwelchen lärmigen Spökes machte). Streckenweise war es extrem entspannt, rechts und links an den Ufern strotzte das Grün, nichts zu hören außer Vogelgezwitscher und ab und zu ein paar quakende Nilgänse, die auch gerade Junge hatten, die man beim Schwimmunterricht beobachten konnte.

Das Wasser der Lesse war teilweise gerade mal zwei Handbreit hoch, so dass wir auch einige Male auf Kieselsteinbänke aufführen und es ein amüsantes Unterfangen war, dort wieder loszukommen und das Kajak in die richtige Richtung zu drehen. Es galt aber auch zwei Stufen zu überwinden und dabei bin ich etwas nass geworden, weil wir uns wohl etwas ungeschickt angestellt haben und eine kleine Welle in Kajak schwappte. Egal, es war warm und die Hose trocknete relativ schnell.

12 km sind wir gepaddelt, bzw. haben uns treiben lassen, von Gendron-Celles bis Anseremme. Begleitet wurden wir von Carin van der Wey von Dinant-Evasion, dem Unternehmen, das diese Kajakfahrten anbietet. 1958 wurde es von den Großeltern der heutigen Inhaber gegründet. Sie begannen mit Kreuzfahrten auf der Maas – die man auch heute noch buchen kann – dann kamen die Kajaks hinzu, Unterkünfte und diverse Outdoor-Adventure.

Nachdem unser Bus die Männer von der Wanderung eingesammelt hatte, stellten wir fest, dass der Tag großzügig geplant war und wir noch Zeit hatten, uns die Wassergärten von Annevoie anzuschauen. 

Die Wassergärten von Annevoie

1758 begannen die Arbeiten, um die Gärten von Annevoie anzulegen und Liebhaber*innen von historischen französischen, englischen und italienischen Gärten kommen hier auf ihre Kosten. Es ist der einzige Wassergarten in Belgien und das Besondere an diesen Wasserspielen ist, dass sie komplett ohne Motoren und Pumpen  auskommen. Ich musste feststellen, dass ich kein einziges dieser Wasserspiele fotografiert habe. Ich bin ja großer Fan von natürlicher Natur und war vor allem sehr beeindruckt von den alten Bäumen. 

Im Jahr 1930 wurden die Gärten für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. 1982 wurde das gesamte Anwesen, einschließlich der Gärten und Gebäude, unter Denkmalschutz gestellt. Zwischen 1992 und 2009 wurden sie zum großen wallonischen Kulturerbe erklärt.

Im Park liegt ein hübsches Wasserschloss, das  sich nacheinander im Besitz der Familien de Halloy und de Montpellier befand. Die ältesten Teile gehen auf 1627 zurück, fertiggestellt wurde es 1759 unter Charles Alexis de Montpellier. Elf Generationen von de Montpellier lebten in Annevoie (von 1691 bis 2004). Leider kann man das Schloss nicht besichtigen. Seit 2017 gehören Schloss und Gärten der Privatstiftung von Ernest-Tom und Ann-France Loumaye, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Anwesen von Annevoie und seine Wassergärten zu restaurieren, zu erhalten und aufzuwerten. Sechs Jahre hat die Restaurierung und Wiederherstellung des Originalzustands gedauert. Seit 2020 bauen Ernest-Tom und sein Sohn Léopold hier auch Wein an. 

 

In der Nähe des Schlosses gibt es auch einen Nutzgarten mit allerlei Gemüsen und Kräutern. Seit 2015 wird die gesamte Anlage natürlich und biologisch ohne jegliche Pflanzenschutzmittel bearbeitet. Es gibt eine kleine Ausstellung über die Geschichte des Gartens und der Familie die ihn angelegt hat – leider nur mit französischen Texten

Abends aßen wir im Hotelrestaurant von Les Sorbiers. Es war alles wieder sehr köstlich, nur beim Nachtisch diskutierten wir, ob die ausgewählte Präsentation nicht doch besser als Seifenschale ins Bad gepasst hätte. 

Eine kleine und wunderbare Wanderung

Am Sonntag checkten wir zeitig aus, um einen Teil einer Wanderung aus Andreas Buch zu machen (Die Nr. 8). Von Falmignoul aus spazierten wir erst einmal an der Boulangerie und Patisserie vorbei (immer wieder verblüffend, wie grandios das Angebot selbst im kleinsten Dorf ist), vorbei am kleinen Friedhof, über schmale Pfade, durch Wiesen und Wälder (ja, es war genau so poetisch). Plötzlich waren wir oben auf den Felsen und hatten einen herrlichen Blick auf eine Maas-Kurve und Waulstorf. Dann noch ein kleines Stück weiter und wieder bergab und noch ein Stück direkt an der Maas entlang, um dann vom kräftigen Fährmann von Hand nach Waulstorf übergesetzt zu werden.

Die Fähre ist seit 1871 in Betrieb und bringt Passagier*innen und Fahrräder gratis von einem Ufer ans andere. Und wenn man hier Fährmann ist, braucht man keine Muckibude.  

Brauerei-Führung mit Verkostung 

Zum Abschluss dieser Reise gab es noch eine Führung inklusive Verköstigung in der Brasserie Caracole in Falmignoul, wo seit der Gründung im 18. Jahrhundert in mit Holz befeuerten Kupferkesseln gebraut wird.   

Erstmal suchten wir uns aus ca. 18 Eintöpfen unsere Mahlzeit aus, die wir nach der Führung essen wollten. Dann ging es wieder zurück auf die Straße, wo uns Monsieur Tonglet die Geschichte der Brauerei anhand von alten Fotos erzählte. Im Jahr 1765 wurde hier von der Familie Moussoux eine Brauerei gegründet die bis 1939 im Familienbesitz geführt wurde. Ein Herr Lamotte betrieb die Brauerei bis 1971. Seit 1992 ist François Tonglet Besitzer der kleinen Brauerei und nannte sie „Brasserie Caracole“. Er steht nun kurz vor der Rente, wie er uns später verriet und sucht noch jemanden, der die Brauerei übernimmt. Aber noch ist er mit Verve bei der Sache und war uns ein charmanter Gastgeber. Einmal pro Woche wird hier gebraut, nach wie vor ganz traditionell mit Holzfeuer. Das Dach hat Löcher, so dass Rauch und Dampf abziehen können, leider regnet und schneit es dadurch manchmal auch rein. Gerste und Hopfen werden sehr regional bezogen, der Hopfen wird nur ca. 20 km transportiert. 

Nach der Führung waren unsere Mahlzeit erwärmt und dazu haben wir uns durch alle Biere probiert. (Wir durften wie bei einer Weinprobe ausspucken und wegschütten). Ich glaube, ich habe an anderer Stelle schonmal erwähnt, dass ich ja nicht so der Fan von belgischen Bieren bin. Ich bin da konservativ und Fan vom deutschen Reinheitsgebot. Ich möchte nicht, das ein Bier sauer, fruchtig oder nach Rosmarin schmeckt. Die Trappistenbiere finde ich immer super. Die Braunen Biere schmecken mir meistens  auch – wie hier das Bronzé – und das Nostradamus mit seinen 9,1 % war auch nicht schlecht. Mit scheint die Website nicht up-to-date zu sein, denn wir hatten noch andere Biere probiert, als dort aufgeführt sind. Aber am besten macht man einfach selber eine Führung mit. Das geht zwischen Februar und November an jedem Wochenende, im Sommer auch mittwochs.


Transparenz: Die dreitägige Reise wurde fabelhaft organisiert von Visit Wallonia. Wir wurden die ganze Zeit sehr geduldig und freundlich mit einem Kleinbus durch die Gegend gefahren. Die Kosten für Eintritte, Unterkunft und Mahlzeiten wurden übernommen.

 

3 Kommentare

  1. Liebe Ute,
    ich hab ja schon deine Stories verfolgt. Was für eine herrliche Tour und die ganzen Erlebnisse am Wegesrand. Dicht und voll mit jeder Menge kulinarischer Highlights. Große Wallonie-Liebe!!!

  2. Einfach schön, Deinen Bericht nun nochmal in Ruhe zu lesen. Man merkt doch auch an allen Ecken und Ende, mit wie viel Liebe das Programm zusammengestellt ist. Raus in Grüne und aufs Wasser, rein zum Verkosten und Schmausen – wunderbar. Eine einzige Einladung in die Wallonie.

Schreibe einen Kommentar zu Anke von Heyl Antwort abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert