In den Untiefen meiner Entwürfe hatte ich einen angefangen Beitrag von 2015 über Serien-Vorspänne gefunden. Auslöser war damals der Vorspann der ersten Staffel von True Detective (2014), die Serie fand ich phänomenal und den Vorspann auch. Gute Geschichte, fabelhaft erzählt, spitzen Schaupieler – Matthew McConaughey war die Entdeckung für mich, und die Artefakte des Killers wurden vom Künstler Joshua Walch kreiert.
Es ist fast schon ein eigenständiges Musik-Video. Wunderschöne poetische Doppelbelichtungen, ein bisschen verstörend, mystisch, die die Atmosphäre der Serie perfekt einfangen. Selbst die Standbilder der einzelnen Sequenzen funktionieren hervorragend für sich als Einzelwerke. Völlig zur Recht 2014 mit dem Outstanding Main Title Design Emmy ausgezeichnet. In den Kommentaren steht, das sei ja simpel After-Effects Nutzung, aber jemand hat sich den Spaß gemacht, den Vorspann von Games of Thrones im Look von True Detective zu machen, was im ersten Moment ganz witzig ist, aber hier fehlt mir doch die Poesie und es ist eben doch nicht nur alles Software oder Technik.
Da ich inzwischen wirklich sehr viel Serien geguckt habe, habe ich mich immer mal wieder mit dem Thema beschäftigt. Ein Vorspann kann ja ein eigenständiges Kunstwerk sein und ist in der Hauptsache dass Zusammenspiel von (bewegtem) Bild, Typografie und Sound – im Idealfall unter der Berücksichtigung des Inhalts.
Die beiden Großmeister des Vorspanns sind für mich Maurice Binder, der Vorspänne für 14 James Bond Filme und auch den ersten – Dr. No – gemacht hat und Saul Bass. Der war gelernter Grafiker und ist mit seinen Animationen für mich der Vorspann-Gott. Beide haben offensichtlich immer noch Einfluss auf die Kunst des Vorspanns.
Scheinbar sind auch Vorspänne Moden unterworfen. Ich versuche mich mal an einer Typologie, wobei es da natürlich auch immer überschneidungen gibt und jetzt folgen noch sehr viele Youtube-Links. Ich habe bis auf wenige Ausnahmen nur Serien erwähnt, die ich auch gut fand. Manchmal musste ich mich zügeln, nicht auch noch eine Serienkritik zu schreiben. 😉
Architektur
Der Vorspann von House of Cards (2013) ist wenig spektakulär, hat aber eine eigenartig hypnotische Wirkung. In Zeiten von Hyperlapse war das ganz am Puls der Zeit, obwohl das natürlich ein relativ alter Hut ist. Und ich behaupte, dass er ein bisschen von Damages (2007) – eine sensationelle und verstörende Serie mit einer grandiosen Glenn Close – inspiriert wurde.
The Alienist (2018-2020) fand ich überraschend gut. Daniel Brühl spielt in dieser amerikanischen Produktion einen Kriminalpsychologen im 19. Jahrhundert, als es das noch gar nicht gab. Der düstere Vorspann mit Überlagerungen und Architekturanimationen passt gut zum Gefühl und Look der Serie. Das tiefe Cello der Titelmusik wird zur Zeit auch gerne genommen.
Grafik-Design, Typografie
Broadchurch (2013-2017) fand ich trotz David Tennant nur so mittelgut und habe in der zweiten Staffel abgebrochen. Der Vorspann ist mit farblichen Überlagerungen auf Film-Stills sehr „Grafik-Design“ aber schön. Dafür nervt die Musik etwas.
Manifest (2018-) hat nur ein Mini Intro, das finde ich aber typografisch gut gelöst. Diese sehr typisch amerikanische, melodramatische Mystery Serie ist wirklich ein bisschen bescheuert, aber leider total fesselnd.
Versailles (2015–2018) ist eine opulente Ausstattungsserie über den jungen Ludwig XIV, der das Schloss zu dem macht, wie wir es kennen. Obwohl es die bisher größte jemals in Europa gedrehte TV-Serie ist, fand ich es etwas zu krude, verwirrend und habe nach ein paar Folgen abgebrochen. Der Vorspann scheint auch so eine Standard AfterEffects-Animation zu sein, hat aber dennoch Nominierungen und Preise bekommen. Die Dramaturgie mit dem super Titelsong von M83 macht es interessant.
Gegenstände
Eine gute Rube-Goldberg-Maschine wurde für Bad Sisters (2022) gebaut. Ob die tatsächlich gebaut wurde, oder ob das alles digital ezusammengefügt wurde, kann ich nicht erkennen.
The Good Fight (2017-2022): In dem Spin-off von The Good Wife explodieren Gegenstände in Super-Slow-Motion. Das ist schön anzuschauen, ermüdet aber auch bald. Die Gegenstände variieren in den sechs Staffeln und ich kann mir vorstellen, dass die Menschen bei der Produktion damit sehr viel Spaß hatten.
Bei der sehr guten Serie Little Fires Everywhere (2020) mit Reese Witherspoon verbrennen Gegenstände in Super-Slow-Motion.
The Night Manager (2016) fand ich nur so mittelgut. Aber ich mag das Morphing von Gegenständen.
Animationen
Durch und durch gut gestaltet ist der Vorspann von Mad Men (2007-2015). Kann man sich auch nach all den Jahren gut angucken.
The Morning Show (2019-2022) hat einen Vorspann mit einer lustigen Polka-Dot-Animation. Warum hier so ein 60er Jahre Look verwendet wurde ist mir allerdings schleierhaft. Hat mit dem Inhalt nichts zu tun. Den Song von Frank Enea mag ich auch sehr.
In der Serie The Hour (2011) geht es tatsächlich um eine Nachrichtensendung in den 50er Jahren. Der Vorspann passt hier also konzeptionell sehr gut und man hat sich sicher von Saul Bass und The Man With The Golden Arm (1955) inspirieren lassen.
The Afterparty fand ich so blöd, dass ich bei der ersten Folge abgebrochen habe, aber der Vorspann ist toll.
Locke & Key (2020-2022), eigentlich eine Fantasy-/Mystery Serie für Jugendliche (wenn auch ein bisschen zu brutal für Jugendliche) mit einem schön gezeichneten Vorspann im Vintage Look.
Severance (2022) – ein fast eigenständiger 3D-Animationsfilm, der den Plot der sehr guten Serie sehr gut anteasert.
Arty
See – Reich der Blinden: Der Vorspann der ersten Staffel wirkt sehr poetisch und geheimnisvoll, denn er ist nur mit Sounds unterlegt. Bei der zweiten und dritten Staffel ist es dann so ein martialisches 3D Design, was inhaltlich auch besser passt, ist die Serie fast nur ein einziges Gemetzel. Ich habe trotzdem alle Staffeln geguckt, denn Jason Momoa ist ja schon ein Augensternchen und Sylvia Hoeks war für mich eine grandiose Schauspielerinnen Entdeckung.
Ozark (2017–2022) gehört mit zu den besten Serien, die ich in den letzten Jahren gesehen habe. Alles daran ist super: Der Cast, die Story, die Umsetzung. Der Vorspann ist auch sehr außergewöhnlich. Es ist eigentlich nur ein Bild, bestehend aus einem O, darin erscheinen vier Symbole/Piktogramme, die sich inhaltlich auf die jeweilige Folge beziehen. Und jede der 44 Folgen hat ein eigenes Intro!
Titelsongs
Manchmal sind die Intros gar nicht so grandios gestaltet, aber der Titelsog reißt es raus.
Die kaleidoskopischen Stadtansichten von Los Angeles der fantastischen Serie Bosch (2014-2021) sind gar nicht so sensationell, aber der Titelsong Can’t Let Go von Caught a Ghost dazu ist so der Knaller, dass ich mir den meistens komplett angeschaut habe.
Ebenfalls kaleidoskopische Effekte und einen super Titelsong – Goodbye von Apparat – gab es bei Dark (2017-2020)
Deep State (2018): Es geht um Spionage, Terrorismus, CIA, ziemlich brutal, aber recht spannend. Diese Art Vorspann – Filmsequezen, Ein- und Ausblendungen, Überlagerungen, minimalistische Typografie – ist Standardware. In diesem Fall passt das Düstere gut zur Serie. Der Titelsong von Dan Berridge ist ein Mashup mit Texten von “Once In A Lifetime“ der Talking Heads.
An Peaky Blinders (2013-2022) habe ich alles geliebt: Die Story, die Ausstattung, die Schauspieler*innen. Und der Titelsong von Nick Cave and the Bad Seeds ist einfach grandios.
Wer Lust bekommen hat, die eine oder andere Serie zu gucken und diesen Service noch nicht kennt: Bei Wer streamt es erfährt man wo man was sehen kann.
Mich interessiert: Welche Serien Vorspänne gefallen euch und welche Kategorie könnte man noch eröffnen?
Ich gucke auch immer mehr Serien. Weiß der Himmel warum. Den Vorspann klicke ich meist weg. Ich werde demnächst besser aufpassen. Danke für den Post!
Lieber Mikel, schön von dir zu hören! Die meisten Vorspänne sind ja auch zum wegklicken. Ich habe hier die Perlen aus vielen Jahren zusammengetragen. 🙂
Diese Recherche war schon lange notwendig! und es stimmt: True Detective war da wegweisend!
Ich mochte auch einige Vorspänne bei Star Trek Discovery (?), The Bold Type