Spa: gesund trinken und Holzkästchen

Spa, die Stadt, die weltweit allen Heilbädern und Wellnessanwendungen ihren Namen gegeben hat. Ich war morgens in der Touristeninformation mit Carola Reichert zu einer Stadtführung verabredet. Wir hatten ein bisschen Wetterpech, es regnet die ganze Zeit.

Die vielen verschiedenen Quellen in und um Spa herum heißen Pouhon, das geht auf ein wallonisches Wort zurück. Sie sind zum Teil nach berühmten Persönlichkeiten benannt, die sie besucht haben. So ist gleich im Gebäude des Touristenbüros – eine Trinkhalle von 1880 –  die Pouhon Pierre-le-Grand, benannt nach Zar Peter dem Großen.

Die Heilquellen kannten vermutlich schon die Römer im 1. Jahrhundert.

Berühmt wurden sie durch eine Kur, die Peter der Große 1717 hier machte und die ihm tatsächlich sehr geholfen hat. Das verbreitete sich dann bald in europäischen Adelshäusern und im 18. und 19. Jahrhundert traf sich dort das Who is Who an gekrönten Häuptern und andere illustre Persönlichkeiten.

Casino in Spa

Casino in Spa

1762 wurde hier die Redoute gebaut, vermutlich das älteste Casino auf dem Kontinent.

Funfact: Alle Infos rund um Spa sagen, es sei das älteste Casino der Welt. Googelt man,  kommt immer die Info, dass das älteste Casino der Welt 1638 in Venedig entstand. Ich hielt dazu Rücksprache mit Barbara/VisitWallonia, die wiederum ihre Quellen befrug. Wir konnten das nicht auflösen und meine Sprachkenntnisse reichen nicht, um mich da in Originalquellen zu vertiefen. Vielleicht haben alle voneinander abgeschrieben, oder es ist ein interner Zank, dem wir da auf der Spur sind. 😉

Vielleicht kann das irgendein/e Historiker*in auflösen.

 

Die Einwohner Spas nannten die wohlhabenden Kurgäste, die sicher nicht immer nur zum Kuren kamen, Bobelins. Die wandelten dann im Parc de Sept Heures (Sieben Uhr Park), oder auf der Prairie de Quatre Heures (Vier Uhr Wiese) – benannt nach den Uhrzeiten, wann man dort zu wandeln hatte – und in der gerade frisch renovierten Jugendstil Galerie Leopold II., die zwei Pavillons miteinander verbindet. Die Galerie war ursprünglich komplett verglast, wobei man die Fenster zur Parkseite öffnen konnte.  Davon hat man jetzt abgesehen, vermutlich weil die wohl nicht lange halten würden.

Meine Stadtführerin sagte, dass der Kurbetrieb in den 1990er Jahren massiv einbrach, als die Kuren nämlich nicht mehr von den Krankenkassen bezahlt wurden.

Das alte Kurhaus von 1868 stand von 2003-2019 leer, ist demnach ganz schön runtergerockt  und wird jetzt zu einem Luxushotel renoviert. Aus diesem Grund gibt es zur Zeit auch in Spa viel Baustelle und Verkehrschaos. Von einem zeitgenössischen Hotel kann man mit einer gläsernen Panoramastandseilbahn hinauf zur zeitgenössischen Therme. Die Seilbahn war bei meinem Besuch aber scheinbar nicht in Betrieb.

Mit 10 weiteren europäischen Kurorten gehört Spa seit 2021 zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Kleiner Lunch bei ÖLunch.

Toast mit Ei und Krabben und Salat

Toast mit Ei und Krabben und Salat

Musées de la Ville d’eaux

Das Museum ist untergebracht in einem Teil eines dreiteiligen Gebäudekomplex, der ursprünglich die Residenz der zweiten Königin von Belgien, Marie-Henriette, war.

Marie Henriette Anne von Österreich war ein Mitglied des Hauses Habsburg-Lothringen und wurde mit 17 Jahre aus politischen Gründen mit dem Kronprinzen von Belgien und Herzog von Brabant, Leopold, verheiratet. Nach dem Tod von Leopold I. wurde sie Königin von Belgien. Ihre Ehe war von Anfang an unglücklich. 1895 erwarb sie die Villa von 1863 in Spa, lebte dort, verbrachte u. a. viel Zeit mit ihren Pferden (Hier ist auch ein kleines Pferdemuseum utergebracht.) 1902 verstarb sie im 1. OG der Villa.

Musées de la Ville d’eaux

Musées de la Ville d’eaux

Ich wusste, dass hier neben einer kurzen Stadtgeschichte, die regionale Spezialität, die  „Jolités de Spa“, kleine Holzkisten, gezeigt werden. Ich dachte vorab, nojo, da schaue ich mal schnell durch, aber dann habe ich mich in diese Kästchen schockverliebt. Die freundliche Dame an der Rezeption (ich habe leider nicht den Namen erfragt), hat mir eine so nette Einführung gegeben. Am Eingang erhält man einen kleinen, spiralgebundenen Katalog (vorrätig in vier Sprachen, also auch auf Deutsch!), in dem jedes ausgestellte Teil beschrieben wird. Die Texte sind so gut und ansprechend geschrieben, dass es wirklich eine helle Freude ist, sich alles durchzulesen. (Bedauerlicherweise sind weder die Webseite der Touristeninformation, noch die des Museums auf englisch.)

Es gibt vermutlich keinen Gegenstand auf der Welt, für den nicht so eine Holzkiste gebaut wurde. Es gibt sie für Schmuck, Nähutensilien, Zigarren, gläserne Trinkhalme, Mineralien, Farben, Streichhölzer, etc. Zudem sind sie meisterhaft bemalt. Gefühlt habe ich sie alle fotografiert, aber keine Sorge, ich zeige sie jetzt hier nicht alle.

Trinkglaszähler (Kopie)

Trinkglaszähler (Kopie)

 

Ein Teil greife ich heraus, das fand ich ganz amüsant: Nicht aus Holz, sondern aus Elfenbein geschnitzt war dieser Trinkglaszähler. Ungefähr so groß wie eine Taschenuhr, hing sich der gepflegte Kurgast den ans Knopfloch, (die Damen an den Gürtel), und stellte ihn pro getrunkenem Glas Heilwasser weiter, während man an der Quelle herumstand und plauderte und sich amüsierte.

 

 

 

Der Knaller ist aber das riesige Blumenarrangemet, von dem ich zuerst dachte, es sei ein zeitgenössisches Kunstwerk, aber es wurde 1862 von Mathieu Brodure kreiert. Das Teil ist komplett aus Holz hergestellt! Es ist 830 x 550 mm groß und wurde mit einem Messer aus Linden-, Ahorn- und Bergahornholz geschnitzt. 1904 erwarb die Stadt das Kunstwerk von der Witwe des Künstlers für umgerechnet ca. 10.000 EUR.

Pierrot, Logo des Spa Wassers

Pierrot, Logo des Spa Wassers

Natürlich kennen wir alle das Spa Wasser, das es in vermutlich jedem Supermarkt der Welt zu kaufen gibt. Und das ulkige Logo, den  Pierrot, der einen Bocksprung über eine Quelle macht. Ich habe versucht herauszufinden, warum ausgerechnet ein Pierrot das Logo für ein Wasser ist. 1923 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben, den der französische Plakatmaler Jean d’Ylen mit dem Pierrot gewann. (Quelle). Eine Begründung, warum ausgerechnet ein Pierrot, habe ich allerdings nicht gefunden.

Die Wasserfabrik in Spa kann man theoretisch auch besuchen, das Besucher*innen-Zentrum ist in diesem Jahr aber wegen Renovierung geschlossen.

Zur Zeit stehen mehrere Pierrots in Spa herum, die von Künstler*innen farbig gestaltet wurden.

Bei meinem Streifzug durch die Straßen von Spa entdeckte ich diesen Jugendclub, dessen Logo mich total begeistert! Auf der Website der Maison des Jeunes et de la Culture de Spa heißt es (Deepl Übersetzung): “Durch kulturelle Aktionen entwickeln wir bei jungen Menschen zwischen 12 und 26 Jahren Bürgersinn, Verantwortungsbewusstsein, Partizipation und kritisches Denken.” Scheint mir eine gute Sache zu sein.

Auf der Suche nach alter Kurbad Belle-Epoque fand ich fast nur Jugendstil.

Auf dem Weg zu meinem B&B machte ich noch einen Abstecher zur Quelle Géronstère, aus der auch Peter der Große getrunken hat. Weil die Quelle in Spa selber gerade kaputt war, konnte ich das Wasser nun endlich hier kosten. Es riecht etwas schwefelig dort an der Quelle, aber das Wasser schmeckt ganz gut und hat einen ganz leichten, feinperligen Bizzel.

Die Quelle liegt gut drei Kilometer vom Stadtzentrum entfernt im Wald. Ganz in der Nähe ist die Domaine de Bérinzenne, ein kleiner Landschaftspark mit einem kleinen Wald- und Wassermuseum (war leider geschlossen), mitten im Malchamps-Venn.  Hier kann man bestimmt sehr schön wandern. Ein bisschen Drama-Himmel gab es auch noch.

Am nächsten Tag ging es mit einem Abstecher nach Stavelot und zur Gileppe Talsperre nach Lüttich. Bericht folgt in Bälde.

 


Transparenz: Die Reise wurde organisiert von VisitWallonia. Reisekosten, Unterbringung, Besichtigungen und Mahlzeiten wurden übernommen und es wurde ein kleines Honorar gezahlt.

 

4 Kommentare

  1. Was, dieser Jugendklub ist ja der Hammer! Richtig gut.

    Nebenbei entwickele ich gerade mal wieder einen ziemlich großen Wunsch, Deine Route nachzureisen. Verzwackte KultourWallonie. Aber es ist schon auch verrückt, wie selten man von solchen Orten und Regionen etwas erfährt. Gefühlt dreht sich die Reisewelt immer nur um dieselben zehn Ziele …

    Auf nach Spa! Von dem Wasser habe ich auf meiner Tour auch ausgiebig getrunken.

    • Das ist ja das tolle, dass wir uns gegenseitig die anderen Orte und Regionen schmackhaft machen. Und hoffentlich auch anderen. Wobei, es ja vielleicht auch deshalb so attraktiv ist, weil dort kein Massentourismus unterwegs ist. 😉

  2. Wanderer, kommst du nach Spa …
    Ich bin auch schockverliebt in die Holzkästchen!!!!!
    Mh, das mit dem Casino muss doch rauszufinden sein. Mal die Public-History-Bubble drauf ansetzen.

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