Tata Ronkholz – Fotoschwester im Geiste

Ich habe von Tata Ronkholz erst jetzt wirklich was über ihre Retrospektive in der Photographischen Sammlung  im Rahmen der Photoszene Köln erfahren. Bestimmt habe ich auch schon mal irgendwann ihre Trinkhallen-Fotos gesehen, als Person war sie mir aber nicht präsent. (Die Ausstellung läuft noch bis zum 13. Juli 2025)

Lustig ist, dass wir jeweils ein paar Jahren lang an den gleichen Orten ähnliche Dinge getan haben – immer mit ca. 26 Jahren Zeitunterschied. Sie wurde 1940 als Maria Juliana Roswitha Tölle wie ich in Krefeld geboren, ging wie ich auf das Ricarda-Huch-Gymnasium und hat es wie ich vorzeitig verlassen, und hat dann ein paar Jahre später, an der – damals noch – Werkkunstschule, wie ich Produktdesign studiert. Als sie ihre erste Festanstellung im Möbelhaus Schröer antrat, war ich immer noch nicht geboren.

Und obwohl sie ja zur Generation meiner Eltern gehört, waren unsere Lebensläufe bis hier sehr ähnlich.

Sie hat dann im Gegensatz zu mir aber tatsächlich erst mal als Produktdesignerin gearbeitet. Anfang der 1970er Jahre hat sie eine sehr coole Wohnlandschaft entworfen, die von der Firma habit, die 1971 gegründet wurde, mit in das Programm aufgenommen wurde. Auf dem Firmenplakat steht, dass die Teppiche und Bezüge von der Firma Girmes hergestellt wurden. Da funken direkt meine Synapsen: Der Vater einer Klassenkameradin (Auf dem Ricarda-Huch-Gymnasium!), hatte bei Girmes gearbeitet und meine Mutter bekam darüber Tonnen von Wolle und hat alles mögliche daraus gestrickt (Siehe unten: Mütze und Schal) Leider war das alles total kratzig.

2023 bin ich bei einem meiner Ausflüge zufällig über die schönen, alten Firmengebäude in Oedt gestolpert. Girmes hatte 1989 Konkurs angemeldet, die Nachfolgefirma wurde 2004 insolvent.

Übrigens existiert die Firma habit noch und wird von der Witwe und Stieftochter des Gründers Ulrich Lodholz geführt. Und die haben auch immer noch ein ziemlich cooles Programm.

Ich schweife ab …

Die Fotografin

Mitte der 70er Jahre fing sie an zu fotografieren, lernte vermutlich 1975 Bernd Becher kennen und begann mit 37 Jahren ein Fotografie-Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf und gehörte mit zur ersten berühmten Becher Klasse. Sie fotografierte viele Eingängen, Treppen und Architekturdetails (Hallo Fotoschwester!) und bald auch kleine Läden, Industrie-Tore, Imbisse und die berühmten Trinkhallen. Von 1971 bis 1981 dokumentierte sie gemeinsam mit ihrem damaligen Kommilitonen Thomas Struth den Düsseldorfer Rheinhafen, der im Begriff stand sich komplett zu wandeln. Diese Fotos nehmen auch einen großen Teil der Ausstellung ein.

Bei den Trinkhallenfotos stieß ich dann auf drei, die in meiner unmittelbaren Nachbarschaft entstanden sind und es juckte mich sofort, zu überprüfen, wie es heute aussieht. Mich reizen diese vorher/nachher Ansichten ja sehr und ich liebe es, da hinterher zu recherchieren. Ich frage mich, ob die jeweiligen Stadtarchive auch daran Interesse haben, oder ob es in irgendwelchen Kontexten dazu Projekte gab oder geben wird. (Ich wäre interessiert). Ähnlich wie das Following Quedenfeldt Projekt, dass beim Hackathon Cod1ng da V1nc1 2022 von Michael Cieslik initiiert wurde und an dem ich mich auch begeistert beteiligt hatte.

Leider kann ich die Fotos von Tata Ronkholz hier nicht zeigen, ich habe sie in der Ausstellung als Ausstellungssituation fotografiert und mich an VAN HAM Art Estate gewandt – die den Nachlass von Tata Ronkholz mit allen Rechten besitzen – um zu fragen, ob ich sie in meinem Blog hier zeigen dürfte. Leider werden meine beiden Nachfragen bis jetzt ignoriert. 🤷‍♀️

Tata Ronkholz fotografierte den Fahrradladen Rad-Lager 1980 in der Siebachstraße 57.  Hier gibt es auch wieder eine kleine biografische Überschneidung: Der Laden wurde 1979 gegründet, Ronkholzs Foto entstand 1980. 1993/94 habe ich schonmal in Nippes gewohnt, dort um die Ecke und ich meine, dass der Radladen da ein Haus weiter auf der Ecke zu meiner Straße war. Das Radlager existiert übrigens immer noch in Nippes, im gleiche Block an anderer Adresse.

Siebachstraße 57 in Köln Nippes 2025

In der Siebachstr. 57 sieht es fast noch genauso aus wie 1980. Die Tür ist noch die gleiche, die Fassade ist mal überarbeitet worden. Die Parkbuchten und grünen Inseln sind neu, inzwischen ist da ein Baum gewachsen. Ich weiß nicht, ob die Rolläden immer unten sind.

Der frühere Kiosk in der Merheimer Str. 294 ist in seiner Struktur unverändert, nur inzwischen mit Klinker verkleidet. Das kleine Kellerfenster kann man auf Rohnkholz‘ Foto hinter einem Motta-Eis-Papierkorb erkennen. Ronkholz‘ Foto entstand 1983 und da stand der Kiosk alleine da. Links davon eine abgebrochene Backsteinmauer, links davon kann man noch gerade eine große Plakatwand erkennen. Auf der rechten Seite hängt an einem Zaun ein Zigarettenautomat, dahinter ist ein Gebäude mit Flachdach zu sehen. Wann seitdem hier mal Smoke Pops hergestellt oder verkauft wurden entzieht sich meiner Kenntnis. Ich kenne das Häuschen nur mit geschlossenen Rollläden.
(Das Foto von Ronkholz ist das Key-Visual der Ausstellung der Photografischen Sammlung und das Titelbild auf dem Katalog aus dem Verlag Walther und Franz König )

Kleine Architektur, Merheimer Straße 294 in Köln Nippes

 

Neusser Straße 379 in Köln Nippes 2025Das Ronkholz-Foto von der Neusser Straße 379 ist von 1983 und heute ist diese Stelle überhaupt nicht mehr wiederzuerkennen. Das Haus 379 liegt 1983 etwas zurück, man erkennt mindestens eine Etage mit Gardinen an den Fenstern und davor ist die erdgeschossige Trinkhalle. Möglicherweise wurde alles abgerissen, aber das heutige Haus sieht für mich nicht aus, als wäre es nach 1983 gebaut worden, aber da kann ich mich natürlich auch irren. Auch würde es bedeuten, dass man das Nachbarhaus nach 1983 in den vor-Kriegszustand zurückgeführt und mit Stuck dekoriert hätte.
Das jüngste digitalisierte Kölner Adressbuch ist von 1973 und da steht bei der Hausnummer 379 auch nur die Trinkhalle von Heinz Richartzt. Die 379 a ist das Mehrfamilienhaus daneben – so wie heute auch, also hat sich die Nummerierung auch nicht geändert. Das war eine Theorie in der Diskussion mit einem Kölner Architekturfotografen auf Instagram; wir haben beide keine Erklärung.

 

Zwei Wochen später war ich noch in der Galerie Zander, die ausschließlich die Trinkhallen von Tata Ronkholz zeigt. (Noch bis zum 22. August 2025)

Ausstellungsansicht der Trinkhallenfotos in der Galerie Zander

Ich genoss die Art der Hängung sehr und habe mir dann jedes Foto sehr genau angeschaut. An einer Seitenwand hingen fünf  Farbfotos von Trinkhallen, wieder zwei davon aus meiner näheren Umgebung und eins quasi bei mir umme Ecke. Hier in der Mauenheimer Straße ist das alles auch noch gut nachvollziehbar. Auf Google Maps sind die Aufnahmen von 2022 und da ist auch noch die Original-Tür der Nr. 2 zu sehen, wie auf dem Ronkholz-Foto von 1983.

Mauenheimer Straße 2 in Köln Nippes

Amüsant ist, dass es zu beiden Ausstellungen einen Katalog gibt. Beide leider teuer (jeweils 49,90 EUR). Der Katalog zur Retrospektive in der Photografischen Sammlung erscheint im renommierten Schirmer/Mosel Verlag. Ich durchblätterte ihn in der Ausstellung und schlug direkt mal die Seite auf, wo der Name der Fotografin falsch geschrieben ist. (Ich habe das auf drei Seiten entdeckt). Ich war darüber so entsetzt und hatte mich auf Instagram so darüber aufgeregt und dann schrieb mir eine befreundete Fotografin, dass das gar nicht so selten vorkäme. Whaaaaat?!

Katalog Name falsch

 

Tata Ronkholz starb 1997 mit nur 57 Jahren.

Ich hätte sie gerne kennengelernt.

Tata Ronkholz ausführlicher Lebenslauf findet sich hier

 

 

6 Kommentare

  1. Ach Ute, wie toll dein Bericht. Mir war Tata Ronkholz schon während diverser Büdchen-Touren begegnet (ich hab da ja mal ne zeitlang was gemacht). Aber ich bin begeistert von deinen Recherchen. Finde das auch ultraspannend, wie sich das Gesicht der Stadt über die Jahre verändert. Ach noch interessant: eine Typologie der heruntergelassenen Rolläden!

    • Hihi, dass ich da zweimal die runtergelassenen Rollläden drin habe, war mir auch erst beim Schreiben aufgefallen.
      Ja, sie hätte mir eigentlich auch schon vor Jahren im Büdchenkontext begegnen müssen, vielleicht habe ich das aber auch einfach nur vergessen.

  2. Liebe Ute,
    ich kannte Tata Ronkholz bis eben nicht. Dein Artikel hat mir große Lust auf die Ausstellungen gemacht. Vielleicht schaffe ich es ja noch zur „Trinkhallen-Ausstellungen“.

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