Neueröffnung Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld

Nach sechsjähriger Schließung und vierjähriger Renovierungsphase und 17,7 Mio. EUR später, hat am 2. Juli das Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld wiedereröffnet.

Dass diese Neueröffnung anstand habe ich vor einigen Wochen erfahren und es war nicht so leicht, an Informationen zu kommen. Erst hartnäckiges googeln brachte peu à peu einige Informationsstücke zusammen. Ich fand ein handvoll halbwegs aktuelle Artikel der klassischen Presse.
Aber als erstes denkt man ja eigentlich an die Website. Und dann findet man das:

kwm website text

Das der Text so erscheint, kann an meinem Browser liegen, kann aber auch sein, dass einfach eine falsche Codierung verwendet wurde.

Und da begann ich einen kleinen Rant zu schreiben.

Die Website der Kunstmuseen Krefeld scheint aus dem letzten Jahrhundert zu sein, sie ist mit Frames gebaut – ihr ahnt, wie alt sie sein muss. Kein Facebook, kein Twitter, kein Instagram. Bis man auf der Seite überhaupt mal das Impressum gefunden hat! Die Designerin und der Programmierer der Site haben quasi keine eigenen Webpräsenz und sind digital nahezu unsichtbar.
Aber hey, es gibt zwei (2!) kleine Flyer zur Wiedereröffnung, die als PDF im Newsletter (!) verlinkt werden.

Ich hoffe sehr, dass mit der Neueröffnung des Museums auch die digitale Präsenz eröffnet wird. Die Hoffnung stirbt ja zuletzt.

Aber was für eine verpasste Chance, die Menschen in den vergangenen sechs Jahren über das Museum, die Renovierung und die Sammlung zu informieren! Was für eine verpasste Chance, die digitale Sammlung aufzubauen! Was für eine verpasste Chance, Besucher und  Interessierte bei der Stange zu halten, eine Community aufzubauen, virtuelle Ausstellungen zu kuratieren, etc.

„Wir bekommen ein sehr nobles und modernes Haus, das auf der Höhe der Zeit ist“, sagt Museumschef Martin Hentschel. Aha. Aber was ist mit dem digitalen Haus? Kann es wirklich sein, dass der ganze Diskurs, die ganze Entwicklung um Digitalen Strategien für Museen und Kulturinstitutionen der letzten fünf, sechs Jahre komplett an Krefeld vorbeigerauscht ist?

Und was haben die Mitarbeiter die ganze Zeit gemacht?

Das Kaiser Wilhelm Museum war der Ort, an dem ich als Teenager zum ersten Mal mit moderner Kunst konfrontiert wurde, mit den Arbeiten von Beuys, der Pop- und Op-Art,  das große The Great Love von Robert Indiana im Foyer habe ich noch genau vor Augen, (wurde 2008 mit der gesamten Sammlung Lauffs verkauft)  Das hat ein Samenkorn in mir gepflanzt, dass für meine Entwicklung, mein Leben so wichtig ist: moderne/zeitgenössische Kunst.

Um so schmerzhafter ist es, das zu sehe, was da jetzt nicht ist. Und ich bin wirklich total fassungslos, dass das im Jahr 2016 Realität ist. Das Internet und Social Web sind längst selbstverständlicher Teil  im Leben und Alltag der meisten Menschen. Eine Negierung oder die Strategie des Aussitzens – und selbst das bespielen einer selbstreferenziellen Facebookseite – werden mehr und mehr zu einem Ignorieren von Besuchern, Kunden und Zielgruppe. Ich persönlich fühle mich da inzwischen komplett veräppelt.
Und mal abgesehen vom Kaiser Wilhem Museum stünden den wunderbaren Häusern Ester und Lange auch mehr digitale Aufmerksamkeit zu.

 

Bis hierhin hatte ich vor zwei Wochen geschrieben und dann dachte ich mir, nee, frag mal nach und warte die Eröffnung ab.

Ich habe also am 17.6. eine E-Mail an die drei in den Flyern kommunizierten Adressen geschickt und gefragt, ob mit der Neueröffnung auch die Neueröffnung der digitalen Präsenz geplant ist. Ich habe bis heute keine Antwort bekommen.

Voriges Wochenende war ich bei der Eröffnung vor Ort. Es war gut was los, aber auch nicht zu viel. Musik- und Futterprogramm auf dem Vorplatz. Sehr wunderbar finde ich, dass dieser Platz nun Joseph-Beuys-Platz heißt.

Wie ich in einigen Berichten schon vorab lesen konnte, waren die großen Freitreppen dem Brandschutz zum Opfer gefallen und das wunderschöne große Foyer, dass einen mit offenen Armen, sprich Freitreppen empfing, ist nun eine kleine gedrungen wirkende Halle. Dahinter liegt ein schönes helles Café mit der Möglichkeit auch draussen zu sitzen. Der Krähenzaun von Georg Ettl schließt zum Karlsplatz ab.

Die neuen Treppen (demnächst gewiss beim #Treppenhausfreitag auf Instagram) sind vorgezogen worden und sind nach meinem Empfinden recht eng (Brandschutz? Fluchtweg?), aber zweckmäßig.
Die Räume In den zwei Ausstellungsetagen wirkten auf mich ebenfalls relativ eng, das kann aber daran liegen, dass sie früher auch schon so wirkten und dass es recht voll war.

Die Sammlungspräsentation ist allerdings eine Wucht. Sie wurde nicht chronologisch oder nach Genre, sondern thematisch, assoziativ und intuitiv gestaltet und das habe ich so noch nie bewusst gesehen. Im Raum „Ein Wink des Himmels“ befinden sich Arbeiten von Kiki Smith neben mittelalterlichen Holzskulpturen. In „Konstruktion und Landschaft“ Landschaftsmalerei aus dem 19. Jahrhundert neben einer abstrakten Arbeit von Michael von Ofen. „Clash der Kulturen“ vereint japanische Holzschnitte aus der Mitte des 19. Jahrhunderts mit Der Besuch (1930) von Heinrich Nauen, der sich direkt darauf bezieht. „Farbe, Licht und Raum“ setzt Das Parlament, Sonnenuntergang von Claude Monet in Beziehung zu Wachs- und Leuchtstoffröhren-Arbeiten von Herbert Hamak und Dan Flavin. Ganz abgesehen von den vielen fotografischen Arbeiten von u. a. Hilla und Bernd Becher, Thomas Struth, Thomas Ruff, Andreas Gursky, Robert Voit, Stephen Shore. In jedem „Themenraum“ gibt es eine kleine Handreichung, mit einem kurzen Text zum Thema und der Verbindung der gezeigten Werke.

 

Ein weiteres Highlight ist Lebensalter von Johan Thorn Prikker von 1923. Die Wandmalerei war nämlich, um es vor der Zerstörungswut der Nationalsozialisten zu schützen, eingemauert worden und nachdem sie 1949 wieder freigelegt wurde, seit 1976 wieder hinter einer Wandverschalung verschwunden, weil man neu und zeitgenössisch sein wollte.

Ich war selber ein bisschen überrascht, dass es mich so berührt hat, Arbeiten zu sehen, die ich an dieser Stelle vor über 30 Jahren zum ersten Mal und auch das letzte Mal gesehen habe. Die kleinen Kompositionen von Piet Mondrian, Arbeiten von Lucio Fontana und Antoni Tàpies oder Hagoromo von Mario Merz. Vermisst habe ich ich die Beuys Werke, aber da ich in einem relativen Schweinsgalopp durch das Haus gerauscht bin, kann ich nicht sagen, ob die nicht gezeigt wurden, oder ob ich sie übersehen habe.

Was mir bei der Präsentation auch auffiel ist, wie nahbar sie ist. Größere Objekte und Skulpturen stehen einfach auf dem Boden, ohne Absperrseil oder Klebemarkierungen. Kleinere Objekte stehen auf Podesten, die sehr nah beieinander stehen. Man ist verdammt nah dran. Der großen Raum im 2. OG ist echt voll mit mit Bildern und Skulpturen, Mann im Matsch von Thomas Schütte, Der gebrochene Kreis von Wolfgang Luy, eine Skulptur von Richard Deacon u.v.m., aber sie wirken dadurch fast wie Möbelstücke oder Einrichtungsgegestände, persönlich und vertraut und schaffen Nähe zur Kunst. In einem anderen Raum der schwarze Papierhaufen von Reiner Ruthenbeck, quasi mitten im Durchgang, in den man am liebsten reinpusten möchte. Ich finde das echt mutig und das Aufsichtspersonal hat an dem Eröffnungswochenende wahrscheinlich Blut und Wasser geschwitzt.
Andererseits ist dadurch natürlich alles sehr voll. Die schönen Oberlichtsäle haben ihre Raumwirkung verloren, was auch der Beleuchtung geschuldet ist, die wahrscheinlich aus konservatorischen Gründen so ist wie sie ist. Aber man geht ja auch nicht wegen einer Raumwirkung ins Museum.

 

 

Martin Hentschel hat sich hier nochmal eine Schau gegeben, bevor er in diesem Sommer in den Ruhestand geht. Nachfolgerin soll Katia Baudin werden, zur Zeit stellvertretende Direktorin im Museum Ludwig. Das Ludwig ist digital schon ein kleines Stück weiter als das KWM, glänzt aber auch nicht gerade durch eine besonders ausgefuchste digitale Strategie.

Man wird sehen.

 

Ich bin in Krefeld geboren, aufgewachsen, habe dort studiert und bis jetzt gut die Hälfte meines Lebens verbracht. Seit über zwanzig Jahren lebe ich nicht mehr da und habe auch ausser meiner Familie, die ich regelmäßig besuche, keine Kontakte oder Beziehungen mehr. Offensichtlich gibt es aber doch eine darüber hinausgehende emotionale Verbindung, sonst würde mich das nicht so aufregen.

 

 

2 Kommentare

  1. Hallo Ute!
    Ich hoffe wirklich, dass jemand vom Museum wenigstens eine Presseschau macht und beim Googlen auf deinen Blog stößt. Mich selbst verstören Museen, die kaum oder keinen digitalen Auftritt haben, auch unglaublich. Was soll diese Geheimnistuerei? Was ist das für ein Verständnis des eigenen Bildungsauftrags, wenn man den nicht ins Digitale ausweitet? Ich kann ja verstehen, dass manche die ersten Jahre noch abgewartet haben. Aber inzwischen sollte allen klar sein, dass das Internet nicht so schnell wieder verschwinden wird und dass sich die Leute genau hier informieren. Und wenn ich von einer Ausstellung auf Instagram, Facebook und Twitter oder anderswo immer wieder höre, dann werde ich immer wieder daran erinnert, dass ich da ja auch mal hingehen wollte.
    Nun ja, bleibt zu hoffen, dass eine neue Direktorengeneration nachfolgt.
    Viele Grüße,
    Marlene

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