Auf dem Weg von Falster nach Kopehagen machte ich Halt beim Holmegaard Glaswerk. Eine traditionelle Glasbläserei, die inzwischen neben einem großen Shop, einer Show-Glasbläserei auch ein Museum für Glas und Keramik ist. 1825 gründete Henriette Danneskiold-Samsøe das Werk und baut drumherum eine Siedlung für die Arbeiter und Schulen für deren Kinder. Das Werk wurde in einem Torfmoor angesiedelt, um genügend Brennstoff für die Öfen zu haben. Fast zehn Jahre lang wurden hier nur grüne Gebrauchsflaschen produziert, ehe man auch Haushaltsgläser und später Kunst- und Industriegläser herzustellen. 1906 entwirft die Designerin und Keramikerin Svend Hammershøi das erste Design für Holmegaard und ab da werden Designer*innen und Künstler*innen beauftragt für das Werk zu entwerfen. Die fantastischen Sammlungspräsentation von rund 40.000 Teilen zeigt alle Stücke, die hier jemals entworfen und produziert wurden.
In einer der Sonderausstellungen entdeckte ich die Arbeiten der Glas- und Keramikkünstlerin Louise Hindsgavl, deren grandiose Arbeiten ich hier nicht zeigen kann, wegen der VG-Bild aka Unsichtbarkeitsmaschine.
Mit meiner Buchung für eine Unterkunft in Kopenhagen war ich ein bisschen spät dran und habe nichts bezahlbares mehr gefunden, auch weil ich nicht wusste, dass dort auch Herbstferien waren. Ich hatte also eine Unterkunft in einem Vorort, was aber ok war, da der Bahnhof zu Fuß in 10 Minuten erreichbar war und man mit der Bahn in ca. 30 Minuten in Kopenhagen war.
An meinem ersten Tag war ich vormittags mit Thomas Wiesner* verabredet, der mir ein fabelhafter Stadtführer war. Wir besorgten als erstes ein Mietfahrrad für mich und erradelten dann in ein paar Stunden die Stadt. Dass Kopenhagen eine Fahrradstadt ist, weiß man ja und ich habe ja nun auch ungefähr 50 Jahre Fahrradfahrerfahrung – aber das muss man erlebt haben. Die superbreiten Radwege, eigene Ampeln und grüne Wellen für Radfahrer. Und die Autos scheinen auf Radfahrende wirklich acht zu geben. Überhaupt kam mir die ganze Stadt und der Straßenverkehr unglaublich entspannt vor. Ich habe in den drei Tagen kein einziges Auto hupen gehört, alle verhalten sich akkurat und regelkonform. (Meine Bekannten meinten, im Berufsverkehr sei das alles nicht ganz so entspannt und akkurat, aber hey, wer aus Köln kommt, den kann ja wohl diesbezüglich nichts schocken.)
Thomas Wiesner kenne ich seit ca. 10 Jahren aus diesem Internet und wir sind uns hier zum ersten Mal persönlich begegnet. Fast alle Kunst- und Kulturttipps dieser Reise stammen von ihm. In Kopenhagen war er ein versierter Guide, der so viel über die Stadt, Geschichte, Kunst, Design und Architektur weiß. Wir haben uns blendend verstanden und inspirierende Gespräche geführt. Danke, Thomas für alles und deine Gastfreundschaft!
Am Nachmittag bin ich durch die Innenstadt geschlendert, aber ein paar Designgeschäfte besucht und war bei Royal Copenhagen. Ich bin nicht so der Blau-Fan, aber dennoch faszinieren mich die Dekors. In dem Flagship-Store gibt es in der oberen Etage eine schön gestaltete Ausstellung zu den historischen Teilen, insbesondere zum Service “Flora Danica”, die zum Teil unfassbar teuer sind. In meiner Unterkunft gab es eine Tasse von Royal Copenhagen, die mir gefiel. Sie lag gut in der Hand und es ließ sich gut aus ihr trinken. Sie war weiß und hatte das Dekor der “gebrochenen Stäbe”, das sehr gut zu dem Hutschenreuther Service aus den 1960er Jahren passt, das ich von meiner Mutter geerbt habe. Ich war also geneigt, mir ein Teil zu kaufen. Ich hatte den Karton schon in der Hand und war etwas geschockt, als ich las “Made in Thailand”. 2013 wurde die Produktion dorthin verlegt und die dänische Belegschaft entlassen. Nur noch “Flora Danica” wird in Dänemark produziert. Was für ein kapitalistischer Globalisierungesdreck – auch wenn man mal nachliest, welche Unternehmen übernommen, gekauft, Konzerne gegründet und wieder zerschlagen, Unternehmen dadurch in Konkurs gingen. (das betrifft auch das Holmegaard Werk) – mir ist klar, das ist überall so, aber hier hat es mich echt geärgert und ich habe auf einen Kauf verzichtet.
[Geht mir in letzter Zeit öfter so, auch als ich feststellte, dass meine Osram Leuchtstoffröhre in Russland produziert wurde. Nur gabe es in meinem Baumarkt keine Alternative zu Osram. 😕]
Am nächsten Tag wieder raus aus Kopenhagen auf Architektur-Exkursion. Zuerst die Kirche von Bagsværd. 1976 entworfen von Jørn Oberg Utzon sieht sie von außen erstmal nicht unbedingt wie eine Kirche aus. Der bekannteste Entwurf von Utzon ist sicher die Oper von Sidney, die mit der Architektur der Kirche nichts gemeinsam hat. Innen mit brutalistischen Elementen, aber einem geschwungenen ausgebauten Raum. Leider kam ich nicht so richtig zum fotografieren, da dort eine Frau in der ersten Reihe vor dem Altar saß, in ganz privater Andacht und ich habe mich nicht getraut, da so exzessiv rumzulaufen.
Mein Architektur-Highlight war sicher die Tankstelle von Arne Jacobsen von 1936. Ebenso das Bellavista Housing Estate von 1934. beides habe ich schon auf Instagram ausführlich gefeiert.
Ich war auf dem Weg zum Louisiana Museum und da fährt man an der Küste entlang, hier ist bestimmt gut und teuer wohnen, ich hätte alle 10 Meter anhalten und Villen fotografieren können. Beim Kurhotel Skodsborg habe ich es doch mal gemacht. Man kann die ganze Küstenstraße übrigens bei Google Maps abfahren.
Louisiana Museum
Das stand schon länger auf meiner Museums-Bucket-Liste und was soll ich sagen – es ist auch nur ein Museum.
Es ist sehr groß, es waren glaube ich, fünf oder sechs Sonderausstellungen zu sehen, plus Sammlungspräsentationen. Nachdem ich mir Ragnar Kjartansson und Pussy Riot intensiv angeguckt hatte, bin ich durch den Rest nur noch zügig durchgegangen. Die Pussy Riot Ausstellung – eine chronologische Dokumentation ihrer Aktivitäten – fand ich sehr interessant. Zu sehen, was dieses Kollektiv in den vielen Jahren alles schon gemacht hat und was sie für ihre Überzeugungen alles auf sich nehmen. Das war beeindruckend und beklemmend.
Ragnar Kjartansson war eine fantastische Entdeckung für mich. Selten haben mich Videoinstallationen in einem Museum so beeindruckt. Bei “The Visitors” hatte ich richtig Gänsehaut. Aber auch die Performance “Bangemand”, die Installation “Hitlers Loge” oder die zwei reenactment Videos einer Bildzerstörug sind fantastisch. Googelt den mal, falls ihr den nicht kennt und rennt in die nächste Ausstellung von ihm, die ihr erreichen könnt.
Ein Museum am Meer hat immer was und bei schönem Wetter ist ein Spaziergang drumherum und durch den umgebenden Skulpturenpark bestimmt sehr schön. Aber das Haus war brechend voll. Für ein Museum quasi am Ende der Welt wirklich erstaunlich. Mir war es aber zu voll. Gedränge bei den Schließfächern, der Shop war voll wie ein Geschenkeladen zur Weihnachtszeit. Die Pussy Riot Ausstellung war in relativ engen Räumen und da stand man sich fast auf den Füßen rum. Auch die Benutzerführung durch die Ausstellungen und das Leitsystem (was quasi nicht vorhanden war) fand ich richtig schlecht.
Sensationell dagegen das Essen im Restaurant, das war sehr nah an der Sterneküche. (Zum Essen folgt im 3. Teil ein eigener Absatz)
Viel mehr Spaß hat mir dann der Besuch im Designmuseum Dänemark am nächsten Tag gemacht. Das war auch sehr gut besucht, hatte neun (!) Sonderausstellungen, auch hier ein bisschen Überforderung ob der Fülle, aber ich fand alles interessant. Eine Ausstellung über den dänischen Modedesigner Nicholas Nybro, “The Future is present” — ein Nachdenken darüber, was Designer*innen in der Zukunft gestalten werden, wie sie mit den Herausforderungen unserer Zeit umgehen sollten/können/werden. Gut, das Thema liegt in der Luft und wird allerorten behandelt und ich habe schon einige Ausstellungen dazu gesehen. Hier waren ein paar Aspekte interessant, z. B., ob Design die seelische Gesundheit stärken kann, oder ein paar Positionen zur Beerdigungskultur. Eine Ausstellung über Textilmuster, “Tischlein Deck Dich”: eine Präsentation von sieben Tischen aus sieben Epochen, jeweils aus dieser Zeit und entsprechend eingedeckt. Das ließ mein Herz für Tischkultur hüpfen.
Bei “The magic of form” wurden Designobjekte, Kunst und Architektur (als Fotos) in Zusammenhang gebracht. Schwerpunktmäßig dänisches Design, das ja in der Formensprache seit Beginn/Mitte des 20. Jahrhunderts sehr prägend war. Hier hat mich die Präsentation umgehauen. Teile wurden ganz assoziativ nach Form oder Farbe zu einzelnen Installationen zusammengefügt. Sensationell!
Am Nachmittag hatte mich Brigitte Boesgaard zu einem Atelierbesuch zu sich eingeladen. Birgitte kenne ich seit langem von Instagram. Am Anfang waren es ihre dänischen Cupheads, die mich entzückten. Seit einiger Zeit arbeitet sie (wieder) ausschließlich mit Stoffen. Sie rafft und drapiert Seidenstoffe zu bildähnlichen Tableaus. Manchmal fügt sie auch ein Porzellanstück mit ein. Birgitte hat ursprünglich Modedesign studiert und schon immer eher skulptural mit Stoffen gearbeitet. Sie hat mir Fotos von diesen Arbeiten gezeigt und mich hat das ein bisschen an Kimonos erinnert, Stoffe, die am Körper drapiert, gefaltet und gewickelt werden. Wir saßen bei Kaffee, Tee und Kuchen zusammen und hatten ein anregendes Gespräch. Und ein danish Cuphead ist bei mir eingezogen. Danke Birgitte!!
Meine nächste Unterkunft war im Westen von Fünen und auf dem Weg dorthin fuhr ich über Roskilde. Ich wollte den Dom besichtigen, in dem alle dänischen Könige liege – also die toten. Bei der Einfahrt nach Roskilde entdeckte ich plötzlich diese „Kathedrale“. Ich fuhr schnell ab und irrte durch ein kleines Industriegebiet, um das Teil zu fotografieren, was nicht ganz einfach war. Es ist die Müllverbrennungsanlage, 2008 von Erick van Egeraat entworfen und 2014 fertiggestellt. Nachts wird das Gebäude von innen illuminiert. Das sieht bestimmt fantastisch aus.
Als ich am Dom ankam, war der wegen Gottesdienst für Besichtigungen geschlossen und ich spazierte zum nicht weit entfernten Wikingerschiffmuseum. Drumherum gibt es eine weitläufige Anlage, wo Aktionen stattfinden, es liegen einige Schiffe im Wasser, ein Schiff befindet sich im Bau, es gibt Werkstätten für Kinder, auf einer Wiese verhauten sich gerade zwei “Wikinnger”. Ich war nur kurz im Foyer des Museums, weil mich Schiffsbau jetzt nicht so brennend interessiert, kehrte natürlich wieder im Museumscafé ein, wo es ein riesiges und köstliche Smorrebrod mit geräuchertem Heilbutt gab. Danach wollte ich wieder zum Dom, als mich ein heftiger Regenschauer ereilte. Glück im Unglück, ich stand direkt vor der Ros Galerie, die sich in einem ehemaligen Gaswerk befindet und habe mir in aller Ruhe alle vier, fünf Etagen mit Kunst angeschaut. Naja, für einen Regenüberbrückung war es ok. Am interessantesten fand ich die dass dort ein Glasbläser seine Werkstatt ud Showroom hat.
Zurück am Dom, stellte sich heraus, dass die Besichtigung Eintritt kostet. Dazu hatte ich keine Lust und setzte meine Reise fort.
Bei schönstem Sonnenschein kam ich dann in Balslav an, einem kleinen Haufendorf in der Nähe von Ejsby und meine Unterkunft war in einem Nebengebäude des ehemaligen Pfarrhauses. So wunderschön, dass ich meinen Aufethalt spontan um ein paar Tage verlängert habe.
Am nächsten Tag habe ich nicht viel unternommen, außer einkaufen und eine Spazierrunde um den Block zu machen. Spazieren und wandern fand ich in Dänemark ein bisschen kompliziert. Ich habe nicht explizit nach Wanderrouten gesucht, aber überall wo ich war – und außer bei Kopenhagen war ich immer auf dem Land untergebracht – nirgendwo konnte man schön spazieren gehen. In Dänemark gibt es ja kaum Wald und alles was nicht Stadt, oder Ort ist, ist Landwirtschaft. Aber dass man da, wie bei uns, mal auf Feldwegen und an Ackerrändern rumlaufen kann, gibt es nicht. Selbst in und um das Haufendorf sind alle Wege asphaltiert und das macht nicht so viel Spaß.