Seit Mai habe ich also diesen Traumjob: Für den Instagram-Account wdr3_im_museum mache ich die Storys. Jede Woche besuche ich in NRW eine Ausstellung und bastel dazu eine kleine Story. Ich komme in Museen, in denen ich noch nie war und sehe ziemlich viel fabelhafte Kunst.
Welche Ausstellungen ich besuche, hängt von mehren Parametern ab: ich mache Vorschläge, öffentlich rechtliche Dinge spielen eine Rolle, die Entscheidung fällt dann immer in Absprache mit der Onlineredaktion. Bei meinen Vorschlägen spielen persönliche Vorlieben eine Rolle, aber auch, was zu sehen ist. Kleinteilige Flachware hinter Glas hat immer geringere Chancen, als Skulpturen, Installationen oder Großformatiges.
Bei der Ausstellung „PS: Ich liebe Dich. Sportwagen-Design der 1950er bis 1970er Jahre“ im Kunstpalast dachte ich: Super, da kann man schön die Formen abfilmen, die Lichreflexionen. Was ich nicht bedacht hatte war, dass in den schön auf Hochglanz polierten Autos sich nicht nur das Licht, sondern auch die Frau mit der Handykamera spiegelt. Und ausgerechnet diese Ausstellung, die mich inhaltlich relativ wenig interessierte, hat sich nachhaltig in meinem Kopf festgesetzt, so sehr, dass ich hier darüber schreibe.
Die Autos stehen in der Ausstellung so dicht an dicht, dass ich nicht genügend Abstand finden konnte. In der ganzen Ausstellung – 29 Autos werden gezeigt – konnte ich genau eins komplett von der Seite in das extreme Instagram-Hochformat quetschen (das Bild habe ich dann gar nicht verwendet). Neben ein paar Ausstellungsansichten, konzentrierte ich mich auf Details: Die Fronten, Außenspiegel, Türgriffe.
Ich interessiere mich ja nullkommanull für Autos, obschon ich mich an den Formen der Sportwagen aus den 50er und 60er Jahren erfreuen kann. Ich habe da sofort Filmbilder im Kopf: Filme, die an der Riviera, Côte d’Azur oder in Kalifornien spielen, Cary Grant fährt zu Grace Kelly, Brigitte Bardot an den Strand, oder Steve McQueen braust durch die kalifornischen Hügel. Die Sonne scheint immer. Alles ist heiter und leicht.
In der Düsseldorfer Ausstellung stehen die Autos dicht an dicht, wie in einem Autohaus. Sie stehen auf niedrigen Podesten – man wollte die Autos wie Skulpturen präsentieren – alles in den Räumen ist dunkelgrau gestrichen, es ist ziemlich dunkel, die Autos natürlich schön gespotlightet, die Wände sind leer. Irgendwas war daran seltsam. Und mir fiel tatsächlich erst Tage nach meinem Besuch dort ein, was das war: Das ist wie in einer Gruft!
Was macht ein Auto aus: Es fährt, macht Krach und stinkt. In der Ausstellung stehen sie da, erstarrt und stumm. Zwar nicht ihrer Funktion beraubt, aber funktionslos. Wie ausgestopfte Tiere im Naturkundemuseum. War vielleicht das die subtile Intention der Ausstellungsmacher? Ausgestorbene Artefakte zu zeigen? Gut, diese Autos gibt es so tatsächlich nicht mehr. Die sanft geschwungenen Formen (die allerdings in den 70er Jahren verschwanden), die liebevoll gestalteten Innenräume: Glas, Chrom, Leder, die schlanken Lenkräder aus Holz. Kein Plastik weit und breit.
Wer die Deutschen kennt und aktuelle Diskussionen über Fahrverbote, Dieselgate, kriminelle Machenschaften und Razzien bei Autoherstellern, oder Radweg-Planungen in Großstädten mitverfolgt weiß, das Auto gehört leider immer noch nicht zur aussterben Spezies, im Gegenteil. Obwohl alle wissen, dass Städte wegen ihnen kollabieren, oder kurz vor dem Kollaps stehen, sie elendige Luftverpester sind und sie sich mehr und mehr zu tödlichen Waffen entwickeln. Manch SUV hat ja schon optisch mehr von einem Kampfgefährt, als von einem funktionalen Transportmittel.
Aber zurück zur Ausstellung. Es geht ja um Design und ich hätte mit gewünscht, dass da die Designer im Mittelpunkt stehen. Von der Szenografie her sind die Autos in gar keinen Kontext eingebunden. Es gibt ein paar Medienstationen, die ich ehrlich gesagt, links habe liegenlassen. In eine habe ich mal kurz reingehört, da ging es aber um einen Rennfahrer, das hat mich nun auch nicht interessiert. (Motorsport aka Autorennen finde ich ebenfalls ausgesprochen anachronistische.)
Ich habe in meinem Leben ja schon viele Design-Ausstellungen gesehen und auch viele, in denen das Industriedesign gefeiert wurde und im Grunde treffen auch für diese Ausstellungen meine o. g. Anmerkungen zu. Wenn man eine Ausstellung über, sagen wir Dieter Rams macht, stehen Plattenspieler, Rasierapparat und Filmkamera auch stumm und bewegungslos unter Glashauben auf Podesten. Komischweweise ist mir das aber noch nie so negativ aufgefallen, wie jetzt in der Autoausstellung. Liegt es daran, dass ich Autos gegenüber so kritisch bin oder an der Gruft-Atmosphäre?
Ulkigerweise hatte die Baseler Messe ja quasi zur gleichen Zeit die gleiche Idee. Statt Art Basel gab es Anfang September erstmals die Grand-Basel, wo Autos ausstellungsgleich gezeigt wurden.
Neben ausgewählten luxuriösen klassischen Automobilen der Vergangenheit präsentiert die Grand Basel eine limitierte Anzahl einmaliger zeitgenössischer Editionen und technisch hochentwickelter Concept Cars.
Auch hier stehen die Autos auf Podesten, bzw. dreidimensionalen Bilderrahmen, bzw. überdimensionalen Carports, wie Kunstwerke. Hat da jemand Mäuschen gespielt oder ist es eine dieser seltsamen Gleichzeitigkeiten?
(Randnotiz: Auf Instagram hat der Hashtag #grandbasel2018 1.038 Treffer (Stand 01.11.2018), was ich für solch eine internationale Schau und das Mainstream-Thema Auto erstaunlich wenig finde) Nichtsdestotrotz wird diese Schau im Februar auch nach Miami wandern.
Was also ist das, dass das Auto da partiell so gefeiert wird. Ein Abgesang? Verzweiflung? Festhalten an einem untergehenden Status? Ein Abschiedsfest? Was meint ihr?
Vielen Dank, dass Sie all Ihre Erfahrungen geteilt haben