Aus mancherlei Gründen musste ich meinen Sommerurlaub dieses Jahr ein paar mal verschieben. Schlussendlich wurde es eine Woche am Niederrhein im November.
Ich bin ja in Krefeld aufgewachsen und fühle mich dem Niederrhein irgendwie verbunden. Der Niederrhein ist eine nicht fest definierte Region und lustig ist, was bei Wikipedia steht, „Das Niederrheingebiet bildet außerdem weder geologisch, historisch, politisch noch kulturell eine kontinuierliche Einheit. Gelegentlich wird die Region Niederrhein definiert durch das, was sie nicht ist: (…)“. Für mich beginnt er auf jeden Fall erst nördlich von Krefeld.
Ich suchte mir also eine hübsche Ferienwohnung und fand sie ausserhalb von Xanten. Und das war da schon fast so, wie ich mir meinen idealen zukünftigen Wohnort vorstelle: Ein großes Grundstück, richtig auf dem Land, ganz nah bei einem Städtchen. Ein großer Wohn-, Küchenraum, Bad, Schlafzimmer. Zum wohnen fehlte mir da noch ein Arbeitszimmer, ansonsten wäre es perfekt gewesen. Aber gut zu wissen, dass es das, was ich suche, grundsätzlich tatsächlich auch gibt.
Ich schlenderte durch Xanten – ehrlich gesagt, war ich etwas verdutzt, wie klein Xanten ist, ich habe immer gedacht, es sei eine größere Stadt. Besichtigte den Dom und ließ alles römische links liegen.
Mein erster Museumsbesuch führte zu Schloss Moyland. Wegen der Beuys-Sammlung wollte ich da schon sehr lange hin, es hatte sich aber nie die Gelegenheit ergeben.
„Das Schloss wurde erstmals 1307 urkundlich erwähnt. Nach Umbauten im Mittelalter und im Barock geht die heutige Schloss- und Gartenanlage auf das späte 19. Jahrhundert zurück.“ Es wurde im zweiten Weltkrieg zerstört und blieb lange Ruine. In den späten 1980er Jahren wurde mit der Restaurierung begonnen und mit der Gründung der Stiftung Museum Schloss Moyland 1990 erfolgte die Wiederherstellung. Von aussen sieht es ein bisschen aus wie ein Schloss von Disney. Von innen: oh dear. Wirklich schlimm renoviert. Restaurierung kann man das nicht nennen. Die 1980er und 1990er Jahre schreien einen böse an.
Schaut mal: Ein Foto entstand im Schloss, das andere in einem Düsseldorfer Parkhaus. Ich lasse das mal so wirken.
Die Aussstellungsfläche ist riesig. Ich sah eine Ausstellung über Modefotografinnen – die erste Ausstellung, die die neue künstlerische Direktorin Dr. Antje-Britt Mählmann kuratiert hat. Zufällig geriet ich in eine Führung von ihr.
Die sehr große Schau „Blickfelder“, 35. Übersichtsausstellung des Westdeutschen Künstlerbundes – mit zum Teil fantastischen Arbeiten. Den zweiten Teil habe ich mir dann noch im Museum Goch angeschaut. Und etwas Beuys.*
Der Schloss- (Skulpturen)park ist auch einen Besuch wert, im Frühjahr oder Sommer wahrscheinlich noch mehr.
Ich besuchte Kalkar, ein wirklich ganz entzückendes Städtchen mit einem netten, kleinen Stadtmuseum. Mir fiel wieder ein, dass meine Eltern 1977 mal einen Ausflug nach Kalkar gemacht haben. Leider war der Rathausvorplatz gerade eine komplette Baustelle, so dass ich das Foto nicht wirklich nachstellen konnte.
Kalkar, die älteren unter uns denken da sicher als erstes an den schnellen Brüter – ein Atomkraftwerk, an dem von 1973 bis 1985 gebaut wurde und das nie ans Netz ging.
Was ich überhaupt nicht wusste, dass dieses ehemalige Atomkraftwerk seit Mitte der 2000er Jahre ein Freizeitpark ist! Mit Hotels, Campingplatz und allem zip und zapp. Ich vermute, im Sommer ist da die Hölle los. Wikipedia schreibt: „Ein Abriss des Gebäudes hätte 75 Millionen Euro gekostet, was aus ökonomischen Gründen nicht in Frage kam. Man begann mit dem langsamen Verkauf der neuen und niemals genutzten Geräte und Maschinen. (…) Das Gebäude selbst wurde per Zeitungsannonce angeboten.“
Meine Eltern hatten 1977 tatsächlich die Baustelle dort besichtigt. Ich hatte das Foto leider nicht mehr vor Augen, hätte es gerne nachgestellt, ist mir nicht ganz gelungen.
Am Tag vier meines Sommerurlaubs machte ich einen ausgedehnten Spaziergang „um den Block“. Eine Runde durch den Wald und dann nach Birten, einem Dorf wie man es sich das idealerweise vorstellt: Mit einem richtigem Dorfplatz mit Bushaltestelle, Briefkasten, Gastwirtschaft und Kirche. Es führt auch eine Bahnlinie an Birten vorbei, früher wohl mal direkt durch den Ort und ich entdeckte diese Anekdote:
Wie oben schon erwähnt, war ich im Museum Goch und habe dort den zweiten Teil der Ausstellung „Blickfelder“* gesehen. Das Museum befindet sich in einem in den Grundzügen alten Haus, ist innen aber genauso schrecklich renoviert, wie das Schloss Moyland. Leider hat es keine Gastronomie, dafür eine kleine Kaffeebar, die aber nicht in Betrieb war. Das war wirklich doof. Wie gerne hätte ich dort noch ein bisschen gesessen. Allerdings gibt es dort die weltbesten Klo-Piktogramme. Großes Kino von Markus Brenner.
Kleve, Kevelaer und Krefeld folgen im 2. Teil.
* Weil ich keine Lust hatte, alle Künstler*innen zu recherchieren, ob sie bei der VG Bild gemeldet sind, habe ich, bis auf zwei Ausnahmen, darauf verzichtet, irgendwelche Kunst zu zeigen. 🙁
Siehe hierzu auch den Beitrag zur Unsichtbarkeitsmaschine von der geschätzten KunstArztPraxis.
wie schön… ich komme ja aus Kleve und kenne den Niederrhein ganz gut… in der Schlossruine haben wir als Kinder gespielt h auf dem Weg zum Campingplatz/Badesee dreht Gegenüber der Baustelle … die Demo in Kalkar am 24.9.77 haben wir im wesentlichen aus unserer WG in Kleve heraus organisiert… das war mein Sommersemester ?.
übrigens hat Christoph Peters aus Kalkar einen wunderbaren Roman über die Zeit rund um den Bau vom Brüter geschrieben: Dorfroman. sehr lesenswert.
die Sammlung in Schloss stammt ja von den Gebrüdern van der Grinten aus Kranenburg, wo meine Familie eigentlich herkommt… die kannte mein Vater gut und hat mich auch mal zu denen mitgenommen…
es gibt auch eine wunderbare Krimiserie, die in Kleve und Umgebung spielt. leider sind zwei der Urheber schon gestorben: Hiltrud und Arthur Leenders. auch sehr empfehlenswert… beim nächsten Mal Kevelaer nicht vergessen, Marienwallfahrtsort, da haben wir früher immer Kerzen geklaut, ganze Kartons, die vor der Kirchentür standen, wenn der Pfarrer vergessen hatte, sie reinzuholen ?…
Ach wie herrlich! Ich wusste nicht, dass du aus der Ecke bist. Danke für deine Erinnerungen und auch für die Buchtipps, die nehme ich mir mal vor. Ich bin ja u. a. auch wieder auf den Niederrhein aufmerksam geworden durch die Bücher von Mechtild Borrmann.
Und warte nur ab, es kommt ja noch ein zweiter Teil – MIT Kevelaer! 😉
Du wirst noch zur Trendsetterin mit Deinem Sommerurlaub im November. Du hast das so gut dargestellt, da müssen Dir andere folgen.
Ich bin übrigens ein wenig neidisch, dass Du schon weißt, wo Du Deinen zu zukünftigen Wohnort finden möchtest. Ich weiß nur, was ich nicht will oder was ich nicht bezahlen kann. Zu doof.
Liebe Grüße
Stefan
Da will ich gar keine Trendsetterin werden, sonst ist es im November auch überall voll und teuer! 😉
Da bin ich auch ganz froh, dass ich das weiß. Wäre ich „vogelfrei“ und irgendwi ealles möglich wäre, würde mich das glatt etwas überfordern.