Bei der Blogparade Theater im Netz, die ich mit Begeisterung mitverfolge, gibt es schon so viele Beiträge, bei denen ich laut „Ja! Hurra!“ rufen möchte und ich habe da eigentlich auch schon alle Aspekte, die mich zum Thema beschäftigen, gefunden.
Die Blogparade hat ja zwei Schwerpunkte oder Lesarten. Zum einen die Nutzung des Netzes ergänzend, begleitend und unterstützend zur Theaterarbeit und die inhaltliche Benutzung und Bearbeitung des Themas auf der Bühne.
Nach einem kleinen Austausch mit Marc auf Twitter habe ich mich entschlossen, etwas über mein kleines Laborexperiment zu schreiben. Nämlich die Begleitung einer Theaterproduktion im Social Web.
Ich spiele seit über 15 Jahren Theater und seit gut 10 Jahren im Ensemble Bühnlein brillant – mit viel Herzblut und Engagement. Wie das bei freien Ensembles so ist, stemmen und finanzieren wir die komplette Produktion selber. Jedes Mitglied wird also multifunktional eingesetzt. Etwas ausführlicher habe ich das schon mal hier beschrieben.
Seit Januar 2014 hat Bühnlein brillant eine Facebookseite und da ich der einzige SocialWeb-affine Mensch im Ensemble bin, bediene ich die auch alleine. Ich habe die Seite relativ kurz vor der Premiere der letzten Produktion zur Bewerbung derselbigen aufgesetzt.
Nach einer abgespielten Produktion machen wir meistens erst mal eine längere Pause, bis der erste wieder zappelig wird und den Rest der Truppe aktiviert. Dem folgt dann eine mehr oder weniger lange Phase von Regie- , Mitspieler- und Stücksuche, bis die Proben wirklich beginnen.
Das heißt, dass nach dem Abspielen von „Yvonne, die Burgunderprinzessin“ im Mai 2014, die Facebookseite fast ein Jahr lang mehr oder weniger brach lag. Aus diesem Grund habe ich auch auf einen Twitteraccount verzichtet.
Am 4. April 2015 (77 Fans) begann ich mit Posts zur aktuellen Produktion „Morgen in Katar“. Ich hatte die Idee, die Produktion mit einem bisschen Storytelling zu begleiten. Ein wirkliches Konzept hatte ich nicht, ich mache so was ja meistens aus dem Bauch und aus der Lamäng. Ich habe mir wohl einen kleinen Redaktionsplan gemacht, in dem ich schon vorab vorhandenes Material eingetragen habe und um den Überblick zu behalten, ob ich auch alle Figuren mehr oder weniger paritätisch behandel.
Ich poste also seit Anfang Juni 2015 ein bis zweimal in der Woche Textschnipsel, Fotos aus dem Probenraum, Fotos von Anmerkungen aus dem Textbuch, kleine Clues zu den agierenden Figuren.
Ich habe mir zu einigen markanten Stichworten aus dem Stück Alerts angelegt, die ich regelmäßig „scanne“ um so aktuelle Informationen aus dem Netz zu fischen, die thematisch passen.
Ich markiere alles mit dem Hashtag #MorgeninKatar. Den nutze ich auch auf Twitter/Instagram/Vine mit meinen persönlichen Accounts. Vor ein paar Monaten habe ich nach jeder Probe das wöchentliche „Geübt und geprobt“ eingeführt – inspiriert von Wibke Ladwigs „Gelüftet und gepferdet“ – meistens mit dem Foto einer Textbuchnotiz, oder wenn gerade etwas besonderes anderes anstand.
Geübt und geprobt. #MorgeninKatar pic.twitter.com/parOMxYsJZ
— Ute Vogel (@frauvogel) 9. September 2015
Zwischendurch streue ich ein paar allgemeine Beiträge, die mir wichtig oder interessant scheinen – wie zum Beispiel den Beitrag zur dieser o. g. Blogparade der Kulturfritzen, Theaterwettbewerben, oder auch mal einen Hingehtipp. Das interessiert allerdings kaum jemanden (so gut wie keine Likes).
Viereinhalb Ensemblekollegen sind auch bei Facebook und sie liken auch brav fast alles. Sie gehören allerdings allesamt zur Spezies der „Stalker“, d. h. sie liken mal ab und zu, kommentieren quasi nie, geschweige denn, dass sie etwas teilen, oder sogar eigene Beiträge schreiben. (Verzeiht mir, ich liebe Euch trotzdem).
Mit der Erstellung einer Facebook-Veranstaltung zur Premiere und Aufführungsterminen kamen dann auch mal ein paar Interaktionen von außerhalb dazu.
Aktuell haben wir 109 Fans (+ ~40%/Jahr). Die durchschnittliche Beitragsreichweite liegt zwischen 40-50. Beste Beitragsreichweite 397 mit 73 Interaktionen, bzw. 330 mit 476 Interaktionen. Beste Gesamtreichweite 706. Die Veranstaltungsseite haben bis jetzt 137 Leute gesehen.
Klicks auf unsere Website gibt es so gut wie nicht. Ob wir mit der Seite, bzw. der Veranstaltung zusätzliche Besucher generieren können bleibt abzuwarten. Wir haben unsere Plakate mit einem QR-Code mit Link zur Facebookseite versehen, vielleicht passiert da noch was.
Eigentlich dachte ich, das wird ein Beitrag über ein gescheitertes Projekt, bei gefühlt 0-3 Likes auf die einzelnen Beiträge, aber wenn ich mir die mickrigen Zahlen so angucke, ist das – relativ – gar nicht so schlimm. Zum Vergleich: Bei den Herbergsmüttern, haben wir in einem Jahr + 111 = ca. 38% neue Fans dazugewonnen, wobei die Seite ein breiteres Themenspektrum hat und von drei Personen bearbeitet wird, die jede für sich eine realtiv große Community von anderen Plattformen mitbringt.
Zwischenbilanz
Optimierung: Ich könnte viel mehr Inhalte (Fotos, Videos) generieren, wenn ich nicht auch proben müsste (ha ha ha). Oft entstehen so lustige Wortspielereien, Versprecher, Situationen, die ich mir in dem Moment nicht alle merken oder notieren und schon gar nicht fotografieren kann – weil ich auf der Bühne und in meiner Rolle bin, und dann sind sie irgendwann weg.
Wenn man keine multiplizierende Kollegen im Team hat, ist der Aufbau einer Communitiy ein echt hartes Brot. Facebook Seiten sind m. E. eh superschwierig aufzubauen, wenn man kein Geld in die Hand nimmt, zumal, wenn man eher von lokalem Interesse ist, ein sehr spezielles Thema hat und das auch noch Kultur ist. 😉
Ich denke, dass ich mit meinen Post teilweise auch zu kryptisch war. Da erschließt sich vieles einfach nicht, wenn man das Stück nicht kennt. Da hätte ich im Vorfeld mehr Zeit in die Konzeption eines aufbauenden Bogens oder roten Fadens stecken sollen/können.
Dass manche Veranstaltungsorte/Theater bei denen wir spielen selber keine, oder nur mäßig betreute Facebookseiten haben und da kein Austausch, keine Interaktion stattfindet, ist natürlich auch schade.
Was hat uns das gebracht?
Sie meinen ausser Spaß und Arbeit? 😉
Nun, Stärkung und Ausbau der kleinen Fanbase und vielleicht hat es doch den einen oder die andere neugierig auf das Stück gemacht. Ob tatsächlich mehr zahlende Gäste zu den Vorstellungen kommen, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob ein Rücklauf von den Vorstellungen zu Facebook erfolgt. Ich werden das beizeiten nachtragen.
liebe ute,
vielen dank für den persönlichen einblick, den du uns in deine arbeit gibst. ein beitrag, der sich in so vielen punkten mit dem deckt, was mir mit der portfolio-inc.-seite auf facebook passiert: (gefühlt) viel zu wenige interaktionen und zu wenig reichweite. und wenn man der einzige ist, der die seite betreut, nebenbei aber in den probenprozess eingebunden ist, dann ist klar, was hintenan stehen muss.
ich finde es trotzdem immer wieder erstaunlich, wie schwer es ist, eine facebook-seite für freie theaterdinge aufzubauen. ich weiß auch gar nicht, ob ein roter faden dort der weisheit letzter schluss ist. splitter, einblicke, ankündigungen, schöne fotos – ein roter faden zerschießt sich in den timelines sowieso. und wer scrollt schon auf facebookseiten wirklich lange nach unten, zumal man sich die geschichte dann ja noch von hinten aufdröseln muss.
ich freue mich jedenfalls sehr über die selbstkritische einschätzung, die nicht nur das positive betont, sondern auch misserfolge mitbenennt.
dein text ergänzt sehr gut die facetten der anderen beiträge zu #theaterimnetz. ich freue mich, dass das noch geklappt hat!
liebe grüße und viel spaß bei den endproben, unsere stehen ja zeitgleich bevor.
bis ganz bald – spätestens im mai in berlin.
marc
Danke für Deinen Kommentar, lieber Marc!
Und wie beruhigend, dass es auf anderen Seiten ähnlich ist. Ich hatte das ja jetzt ohne Netz und doppelten Boden ins Blaue rausgeschossen.
Es ist ja grundsätzlich schwer, Facebookseiten organisch aufzubauen. Ohne Geld läuft da einfach nix.
Was Deine Anmerkung zu dem roten Faden anbelangt, vielleicht hast Du recht und es ist völlig überzogen und naiv, zu glauben, dass sich das jemand merkt, was man bisher gepostet hat. Klar, die einzelnen Beiträge rauschen in der Timeline so vorbei und entweder hat man Glück und es wird bemerkt, oder man hat Pech. Der FB Algorithmus tut ja sein übriges dazu und pusht dann eh schon starke Beiträge nach oben, während schwache (wenig gelikte) im Nirvana verschwinden und ich glaube, dass die wenigsten sich ihr FB so einrichten, wie sie es haben wollen, weil das ja relativ mühsam, nervig und unbequem ist.
Tja.
Euch auch viel Spaß bei den Endproben und ich freue mich sehr auf unser Treffen im Mai!
Moin Ute,
durch meine jahrelange Theaterarbeit im Bereich Marketing/online Kommunikation – dabei betreue ich auch immer wieder kleine Theatergruppen und Künstler – weiß ich, wie schwer es ist im Netz Aufmerksamkeit zu bekommen. Daher vielen Dank für diesen ehrlichen und wunderbaren Blogbeitrag!
Viele Grüße aus Hamburg
Katrin
Hallo Ute,
ich glaube, ich kann für alle sprechen, wenn ich sage, dass wir total froh sind, dass du unseren Web- und Facebookauftritt so gut managt. Ich bin einer der von Ute erwähnten Stalker (evtl. der halbe). Ich versuche die Finanzen zu managen. Wir setzen wir pro Produktion so 10 k€ um, die Hälfte zahlen wir selbst, die andere Hälfte kommt über den Ticketverkauf rein. Die Zahlen stimmen so +- 20 %. Wir haben pro Produktion zwischen 250 und 350 zahlende Zuschauer bei ca. 6 Aufführungen. Unsere Zuschauer kommen in der Regel aus dem Bekannten- und Freundeskreis der an der Produktion Beteiligten. Bei Facebook haben wir gerade 110 Likes, also ein Drittel unserer Zuschauer, eher weniger, da unter den Likes ja auch wir sind und Digital Natives, die sich so was analoges wie Theater nicht antun ;-).
Ich behaupte mal, man schaut uns, weil man uns persönlich kennt, entweder als Zuschauer oder im Netz.
Wenn man das jetzt über einen Netzauftritt ändern wollte, bräuchte man ja Zahlen, Schätzungen, wie sich ein Netzauftritt auf die Zuschauerzahl auswirkt, nach dem Muster 3000 Likes entsprechen 30 Zuschauern. Gibt es so etwas? Wenn die Reichweite unserer Seiten steigt, kann das ja auch sehr betreuungsintensiv werden, bei den Leuten, die sich so im Netz tummeln. Man bräuchte also auch eine Zahl, die etwas darüber aussagt, wie betreuungsaufwändig 1000 Likes sind? Bestimmt gibt es noch mehr abzuwägen, bevor man da investieren könnte. Aber wenn es solche Erfahrungswerte gibt, her damit.
Keine Alternative ist es aber, den Netzauftritt sein zu lassen. Selbst Freunde und Bekannte würde man durch einen nicht vorhandenen Auftritt wohl eher vergraulen. Und evtl. haben wir durch den Auftritt sogar ein paar Leute bewegen können, mal einen Ausflug in die analoge Welt zu machen, dank Ute.
Grüße
Robert
Danke, lieber Robert! <3
Super, dass Du hier auch das Finanzielle offenlegst, das ist bestimmt nicht jedem klar, selbst ich muss da ob der Gesamtsumme leicht schlucken.
Ich weiß nicht genau, was Du mit betreuungsintensiv meinst. Dass dann evtl. mehr Kommentare kommen, die zu lesen oder zu beantworten wären? Ich schätze mal, dass es solche Analysen nicht gibt, Transfer in die Analogwelt pro X Facebook Fans. Ich denke auch, dass man da zahlenmäßig in Sphären vordringen müsste, die mit einem regionalen Kulturangebot nie und nimmer zu erreichen sind.
In einem anderen Zusammenhang hatte ich gestern Abend ein Gespräch über Facebook vs. Instagram und dass da Facebook schon auf dem absteigenden Ast ist, was Likes und Interaktionen angeht. Ich hatte auch schon überlegt, bei der nächsten Produktion mehr auf die Kombination Blog/Instagram zu setzen, aber bis dahin ist wahrscheinlich sowieso schon wieder alles ganz anders. 😉
Ich stimme Dir aber absolut zu, dass es keine Alternative ist, nichts zu machen.