Podcasts – ich kann Euch nicht zuhören

Da inzwischen gefühlt jeder Zweite einen Podcast produziert und jeder begeistert Podcasts hört, fühle ich mich bemüßigt eine kleine Gegenrede zu schreiben – auch um das selber zu verstehen.

Ich nämlich nicht.

Ich habe ein Problem mit dem zuhören. Nicht mit dem hören, ich höre nämlich sehr gut. Manchmal zu gut, da höre ich das Gras wachsen.

Es gibt Geräusche, die fahren mir geradezu schmerzhaft in den Körper. Zum Beispiel dieser furchtbar scheppernde Sound, der aus Kopfhörern nach draußen dringt. Im Zug oder der Straßenbahn bin ich manchmal kurz vor dem durchdrehen. Ich kann das teilweise vom einen zum anderen Abteilende hören. Und dann kann ich es nicht ausblenden. Ich empfinde das als akustische Umweltverschmutzung, genau wie all die Geräusche, die ein Smarphone macht, pling, pfeif, tipp. Am überflüssigsten sind Tastentöne, am absurdesten das den klappenden Verschluss einer Spiegelreflexkamera imitierende Geräusch einer Handykamera.

Ich bin extrem geräuschempfindlich, aber das ist ein anderes Thema.

Ich fange mal vorne an.

Als ich Anfang der 90er Jahre überlegte, was ich als Diplomarbeit machen könnte, entschied ich mich, eine Bühnenshow für einer Band zu gestalten. Ein Grund war, dass ich alles, was ich in meinem Studium bislang gemacht hatte, in einer Arbeit zusammenführen wollte. Ein anderer Grund war ein persönliches Bedürfnis:

Ich bin als junger Mensch oft in Konzerte gegangen. Ich habe mich in einer Blase bewegt, in der es viele Musiker gab, war mit vielen befreundet und Musik war einfach ein wichtiger Lebensbereich. Es waren meist kleine Konzerte, „unbekannte“ oder nur regional bekannte Bands. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich bei den Konzerten visuell unterfordert war. Die Musiker standen auf der Bühne, machten ihre Musik, aber optisch wurde nicht viel geboten. Den Schlagzeuger sah man eh fast nie, Gitarristen, Bassisten, Tastenspieler waren hinter ihre Instrumente geklemmt und der Sänger/die Sängerin waren halt auch nicht immer so expressiv oder von natürlichem Charisma, dass sie eine irre Performance boten.

Meine Augen waren gelangweilt.

Telefonieren

Wer mich kennt weiß, dass ich nicht gerne telefoniere. Mal kurz Informationen austauschen, Termine abklären, ist ok. Beruflich muss es manchmal sein, dann ist es aber immer auch zweckgebunden. Meistens mache ich auch was dabei, gucke mir den Entwurf an, über den wir reden, notiere was im Kalender o. ä. Aber plaudern, Geschichten erzählen – nein. Das Zuhören von körperlosen Stimmen löst sofort körperliche Reaktionen bei mir aus. Ich stehe auf, wandere von einem Zimmer ins nächste, gucke aus dem Fenster, setze mich hin, stehe wieder auf. Mich macht das ganz hibbelig.

Podcasts

Zur Zeit höre ich tatsächlich Podcasts. Es ist die Serie über Frauen am Bauhaus bei Deutschlandfunk Kultur, die mich inhaltlich brennend interessiert. Glücklicherweise sind sie relativ kurz, fünf bis zehn Minuten sind eine recht angenehme Länge, aber dennoch, es geht los und mein Körper ist sofort gelangweilt und ich weiß nicht wo ich hingucken soll, zappel rum. Meistens lese ich den Text mit, aber dann kann ich es gleich nur lesen, oder?

Mache ich beim Hören aber etwas anderes, bügeln, spülen, aufräumen, etc., fehlt es mir dann doch an ausreichender Konzentration und ich bekomme nicht alles mit. Das gleiche gilt für Hörbücher. Beim Autofahren könnte ich es mir noch vorstellen, da fehlt mir allerdings das passende Gerät. Ich mag mich auch nicht mit Kopfhörern in der Welt bewegen. Da fühle ich mich sehr unangenehm vom dem „Außen“ abgeschnitten.

Ich kann Gehörtes auch schlecht filtern oder ausblenden. Kennt ihr die Situation, man sitzt mit jemandem in einer Kneipe oder Café und plötzlich schnappt ihr von Nebentisch etwas auf und die Ohren klinken sich in dieses Gespräch ein und das was eure Verabredung erzählt kriegt ihr nicht mehr mit? Auch Umgebungsgeräusche sind bei mir immer gleich stark präsent. Das war für mich auch ein Problem, als ich in einer Bürogemeinschaft war. Ich bekam immer alles mit und bei Arbeiten, bei denen ich mich konzentrieren musste, war das eine extrem anstrengende Angelegenheit.

Das Grundsätzliche, was mich beim Hören von Podcasts stört ist, dass man nur in einer Geschwindigkeit hören kann. Lesen kann ich mit meiner Geschwindigkeit, ich kann „scannen“, Sätze oder Absätze überspringen, irgendwo hängenbleiben, wieder von vorne anfangen. Hören ist immer linear, in der Geschwindigkeit, in der produziert wurde. Bei vielen „Amateur“-Podcasts wird für meinen Geschmack auch zuviel rumgeschwurbelt, gelabert und ich kann dann eben nicht mal einen Absatz überspringen. Ich empfinde es auch als wahnsinnig anstrengend, Leuten zuzuhören, wenn sie gehen und dabei etwas schwerer atmen, das stört mich auch beim telefonieren. Wenn die Stimme nicht ausgebildet ist, quäkt, scheppert oder klirrt. Wenn viele Ähs und Öhs zu hören sind. Wenn einfach nicht „schön“ gesprochen wird.

Auch Intros mit Dudelmusik empfinde ich als überflüssig, meistens sind die auch viel zu lang, ein Soundlogo oder Jingle würde ausreichen. Schlimm auch, wenn gesprochenes Wort mit Musik oder Hintergrundgeräuschen unterlegt wird. Das ist mir oft zu gleichwertig ausbalanciert.

Zusammenfassung

  • Empfindlichkeit: Zu viele und zu häßliche Geräusch nerven mich und lösen Stress aus
  • Nur hören: Das reine Hören, ohne visuelle Unterstützung, macht mich zappelig, mein Körper fühlt sich unterfordert.
  • Konzentration: Nur hören und dabei etwas anderes tun, schränkt sofort meine Konzentrationsfähigkeit ein

 

Mich würde interessieren, ob es anderen auch so geht.

 

 

 

11 Kommentare

  1. Liebe Ute,

    ich verstehe dich! Auch wenn ich vielleicht nicht ganz so gestresst bin bei Geräuschen, wie bei Gerüchen. Ich bin auch kein Fan von Podcasts, die ewig dauern, aber abwechslungsreich und gut gemachte, die mag ich sehr. Schlimm finde ich, wenn sehr lange um das eigentliche Thema rumscharwänzelt wird – fast als wolle man Zeit schinden. Aber das kommt eben auch ganz auf Sympathien an. Wenn ich wen mag und der Stimme gerne zuhöre, dann darf da auch mal etwas Plaudriges dabei sein. Gut, dass du dich selber hinterfragt hast und nebenbei ein paar nützliche Anregungen für all diejenigen, die es mit dem Podcast-Produzieren versuchen, aufgeschrieben hast.
    Ich höre übrigens ganz gerne beim Sporteln (auf dem Ruderdingens), da habe ich die nötige Konzentration. Magst du denn eigentlich auch kein Radio? Oder machen die es einfach besser? Sollten Podcasts mehr wie gute Radiosendungen sein?

    • Danke, dass Du nochmal „nachkommentiert“ hast <3
      Well, Radio ist ja auch nicht Radio. Ich weiß auch gar nicht, was nun der Unterscheid ist. Radiowellen nennen ihre (online-) Beiträge ja auch Podcasts. Oder meint das nur die Verfügbarkeit? Egal.
      Radio höre ich im Auto und in der Küche. In der Kücke lasse ich mich dann in der Regel mit Musik berieseln. Im Auto auch schon mal Wortbeiträge, am liebsten Dlf, Dlf Kultur oder WDR 5. In der Situation passt das dann auch ganz gut.

  2. … und ich dachte schon, ich wäre die Einzige, die Probleme mit dem Format hat.
    Dabei stört mich am meisten, dass man einen Podcast (im Gegensatz zu Blogartikel oder Webseiten) nicht eben einmal überfliegen und zu den spannenden Stellen vorstoßen kann.
    Podcasts scheinen gerade in Deutschland immer ein Abfallprodukt aus mitgeschnittenen ausgedehnten Experten-Kaffekränzchen zu sein, zu denen dann nur selten Transkripte oder nützliche Direktsprungmarken erstellt werden.
    Offenbar sind die Zielgruppe hier doch eher Fitnesstudio-Besucher oder Pendler mit langem Arbeitsweg, die sich nebenbei noch mit anderen Dingen beschäftigen und mit langen Podcast berieseln lassen möchten.
    Für mich ist es sehr ärgerlich, wenn ich mir 90 min Podcast anhören muss, um nur zwei oder drei wirklich nützliche Informationsnuggets im Plausch zu entdecken. Natürlich gibt es auch gehaltsvollere Podcasts, aber auch dort bin ich dazu übergegangen, den Speed auf 1,5x oder 2x zu erhöhen, einfach um den Podcast in meine eher kurzen Zwischentimeslots hineinzupressen.

    • Danke Karoline!
      Dass man die Geschwindigkeit erhöhen kann, wusste ich gar nicht, aber dann hört man Micky Maus-Stimmen, oder? Dass möchte ich aber auch nicht. 😉 Und wahrscheinlich muss man dann über ein bestimmtes Tool/App hören. Das ist mir dann schon wieder zu viel Getüddel.

  3. Ich verstehe deine Lärm“empfindlichkeit“ nur zu gut. Geht mir genauso. Musik im Restaurant? Beim Sport? In der Hotellobby? Im Supermarkt? Sogar im Co-Working Space. Ich bitte um Abstellen oder leiser stellen. Oder ich gehe.
    Mein Mantra: Stille stört nicht!

    • Bin ich ganz bei Dir. Für viel mehr Stille! Obwohl ich glaube, dass sehr viele Menschen Stille nicht ertragen können. Sonst würden ja nicht so viele mit Kopfhörern rumlaufen und sich mit irgendwas beballern.

  4. Unterschreibe ich sofort. Einen Punkt würde ich noch ergänzen: Laienaufnahmen sind meistens von ziemlich schlechter Qualität, da zischt und knarzt und scheppert es. Ich kann das nicht aushalten.

  5. Hallo Frau Vogel,

    kann ich gut nachvollziehen. Ich werde auch oft hibbelig und mir fehlen „bewegte Bilder“. Halte auch Videos mit stehenden Bildern, in denen man die Sprecher sieht, und alles nur auditiv vermittelt wird, nicht gut aus. Ganz schlimm, wenn dann noch der gesprochene Text von einer Melodie untermalt bzw. übertönt wird. Ich höre wie ein Mäuschen und meine Ohren strengen sich dann an, um den Text zu verstehen… Mittlerweile gibts solche Unarten auch bei öffentlich-rechtlichen Audiosendungen (nicht bei allen, glücklicherweise).
    Trotz Sprecherausbildung und Knowhow mache ich immer noch einen Bogen um den eigenen Podcast. Weil ich selbst nicht auditiv veranlagt bin. Und erreiche die Auditiven nicht. Aber müssen alle Typen erreicht werden?
    Herzliche Grüße
    Silke Bicker

    • Liebe Silke Bicker, danke für den Kommenar. Wie gut, dass es unterschiedliche Medien gibt, die inzwischen (theoretisch) auch von jedem produzier- und nutzbar sind. Ab und zu ist es für Produzenten bestimmt hilfreich, sich daran zu erinnern, dass man nicht mit jedem jeden erreicht. 🙂

  6. …inzwischen höre ich oft und gern Podcasts, bei der Waldrunde oder beim Putzen. Allerdings sind viele Radiobeiträge dabei, die ich einfach nachhöre. Für mich ist es wichtig, dass ich selbst in Bewegung bin. Wenn ich irgendwo sitze, ist es schwieriger (außer beim Stricken oder Klöppeln). Bewegung gehört also unbedingt dazu. Technische Begleitgeräusche stören mich nur bei manchen Podcasts. Wenn zuviel gelabert wird, kommt der nächste dran. 😉

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