Rebellische Pracht – Produktdesign der 1980er Jahre

Als ich von der Ausstellung Rebellische Pracht – Design-Punk statt Bauhaus im Marta Herford hörte dachte ich zuerst: „Cool, Punk!“ Und dann „Oh nein, der gräßliche Kram! Den fand ich damals schon scheußlich.“ (Ich sagte das auch genau so Museumsdirektor Roland Nachtigäller, nicht dass ihr denkt, ich lästere hier hinterrücks. 😉 )

Als wir Herbergsmütter dann Ende Juni in Herford waren, habe ich mir die Schau natürlich auch angeguckt und ich muss bisschen relativieren …

Zum einen bin ich mir gar nicht mehr sicher, ob ich das damals auch schon alles scheußlich fand. Das war halt das typische 80er Jahre Design und es war halt so und inzwischen sind ja viele Teile tatsächlich Design-Klassiker und -Ikonen.

Ich erinnerte mich an eine Geschichte aus der Schulzeit, als ein Klassenkamerad dieses Würmchenmuster von Ettore Sottsass malte und ich ihn frug, was das sei und er ganz empört sagte: „Das ist Memphis!“ Aha … fortan bemalte ich auch alles mit Würmchenmuster – ohne zu wissen, was genau ich da tat. Aber vielleicht war das das erste Mal, dass ich bewusst einen aktuellen Produkt-Designer/eine Designgruppe wahrnahm.

Aber warum finde ich das nun scheußlich? Vielleicht, weil ich heute ziemlich viel scheußlich finde, was in den 80er Jahren schick war. Es ist vielleicht auch dieses grobmotorische Kindergarten-Spielzeug-Assoziation, die ich da habe. Ich kann ja nachvollziehen, aus welchem Kontext die Ideen kam, als Antwort auf das etwas moralinsauer anmutende Designkonzept der Ulmer Schule und der Guten Form, die aus den Bauhausgedanken resultierten, wo alles funktional sein sollte und Spaß und Dekor verpönt waren.

„Weniger ist mehr“ – Ludwig Mies van der Rohe

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„Weniger ist langweilig“ – Robert Venturi

 

„Ebenso wichtig wie die Entwicklung von Produkten ist es für die Gestalter*innen , die Konsequenzen  eines fehlgeleiteten Funktionalismus  aufzuzeigen. Sie möchten eine „Form des Bewusstseins, eine Art des Fühlens und das Wissen darum“ befördern und aufzeigen, dass „der Mechanismus, so wie er gegenwärtig funktioniert, nicht ideal ist“.“ Ettore Sottsass [Zitat aus dem Ausstellungsflyer]

Vielleicht auch, weil meine Rezeption genau andersherum war. Ich nahm in den frühen 80er Jahren dieses Design bewusst als Lebens-Realität war und habe dann erst im Studium ab Mitte der 80er Jahre das Bauhaus und seine Ideen kennengelernt. An der FH Niederrhein wehte damals noch ein zarter Bauhaus Verehrungs-Wind und wir Studenten mochten sehr die Party- und Feierkultur die es am Bauhaus gab. Aber natürlich haben wir auch im Studium mit dem Form follows Fun statt Form follows Funkction geliebäugelt.

 

Neues Deutsches Design

Gleich in der ersten Koje steht der Einkaufswagen-Stuhl Consumer’s Rest von Stiletto und erinnerte mich daran, dass ich am Anfang meines Studiums, Mitte der 80er Jahre, das Neue Deutsche Design sehr großartig fand. Eisen, Industriecharme, Re- und Upcycling, das hat mir gefallen, Volker Albus, Pentagon, Kunstflug, Herbert Jakob Weinand – das waren die Coolen.

Irgendwann hatten wir auch mal eine Gastvorlesung von Harald Hullmann (Kunstflug) und ich war tief beeindruckt – und es ist mir bis heute in Gedächtnis geblieben – wie visionär die damals gedacht haben, insbesondere, was die Digitalisierung angeht. Ein paar Infos zu Kunstflug entdeckte ich dann auch in einer Vitrine. Die Kindermöbel von Ginbande fand ich auch ganz entzückend, die kannte ich gar nicht.

„Indem sie [Bauhaus] Klassiker transformieren, möchten sie aufzeigen, dass Schönheit und Funktion keine objektive Gültigkeit besitzen, sondern dem jeweiligen Zeitgeist unterliegen und wandelbar sind.“ (sic!) [Zitat aus dem Ausstellungsflyer]

(Leider kann ich hier gar nicht die scheßlichsten Scheußlichkeiten zeigen, weil die Bildrechte bei der VG Bild liegen :/ )

Mit Gläsern kriegt man mich ja immer, diese gefielen mir diese sehr gut.

Borek Sipek Savini, Essig und Öl

Borek Sipek Savini, Essig und Öl

 

Und ganz entzückend fand ich diese Objekte.

Zur ergänzenden Lektüre empfehle ich Radikal sein – aber wie? im Marta-Blog.

 

 

2 Kommentare

  1. Liebe Ute Vogel,
    diesen Beitrag habe ich ja mit viel Spaß gelesen, vor allem auch, weil ich mich noch gut an unser Gespräch erinnere. Nur – irgendwie löst er seinen Untertitel doch nicht so ganz ein: WARUM denn nun sind die Sachen so scheußlich? Ich war ehrlich gesagt umgekehrt verblüfft, wie faszinierend mir diese Altbekannten plötzlich bei den Vorbereitungen wieder erschienen, vor allem auch in Bezug auf das Heute, wo perfekte Inszenierung und Style alles zu sein scheinen. Dieser anarchische Gestus, dieses Alles-Geht, dieses Egal-was-die-Anderen-Denken steht in so wunderbarem Kontrast zu dem, was beispielsweise in den Augen unserer Kinder heute alles „gar nicht geht“ und wie man verzweifelt versucht, die Deutungshoheit über sich und sein Leben zu wahren. Learning from the eighties? Geschmacklosigkeit als Freiheit?
    Beste Grüße
    Roland Nachtigäller

    • Vielen Dank für den Kommentar, lieber Roland Nachtigäller!
      Hm tja, ich habe es ja zu begründen versucht, ist mir vielleicht nicht sehr gut gelungen. Die Intention und das Konzept kann ich ja auch gut nachvollziehen, das roughe „Neue Deutsche Design“ dieser Zeit war mir da aber immer näher, auch wenn ich mir diese Sachen jetzt nicht mehr unbedingt in die Bude stellen würde. Vielleicht aber auch, weil ich mich dem Punk immer nahe gefühlt habe. Die Provokation war dreckig, rotzig, und ich fühlte mich weder damals, noch heute von kegelförmigen Kaffeekannen mit goldenen Applikationen, oder Micky-Maus’esken Teekannen provoziert.
      Irgendwo ist es ja auch eine subjektive Geschmackssache und die 80er Jahre waren gestalterisch schon sehr speziell.
      Wobei – „Geschmacklosigkeit als Freiheit“ würde ich unbedingt unterstreichen, nur gefallen muss es mir dann ja nicht. 😉

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