KultourWallonie 2024: Verviers und Jalhay

Die dritte und vermutlich letzte KultourWallonie der Herbergssmütter in bezahlter Kooperation mit VisitWallonia führte mich nach Verviers, Spa, Jalhay, mit kurzen Abstechern nach Stavelot und der Gileppe-Talsperre. Am dritten Tag kamen wir alle mit Barbara Buchholz, Co-Büroleiterin von VisitWallonia in Köln und u. a. verantwortlich für Blog-Relations, in Lüttich zusammen.

Mein Bericht erfolgt in drei  zwei Teilen. Den dritten Teil habe ich zusammen mit Wibke bei den Herbergsmüttern geschrieben.

Es geht los mit

Verviers

Als ich in Verviers ankam und in der Straße mit dem Musée des Beaux-Arts et de la Céramique landete, dachte ich, hach, wie idyllisch. Später musste ich das etwas revidieren.

Nachdem ich in der Stadt einen Parkplatz gefunden hatte, führe mich Google Maps einen Trampelpfad entlang der Vesdre zum Museum. Ich war zwischendurch nicht sicher, ob das richtig war, aber ich kam dann doch sicher an, ohne in den Fluss abgerutscht zu sein, oder mir den Fuß umgeknickt zu haben.

Donnerstags ist das Museum eigentlich geschlossen, aber mir wurde großartigerweise dank VisitWallonia eine Privatführung mit der Museumsdirektorin Caroline Henry orgaanisiert. Da sie nur französisch spricht, hatte sie zur Übersetzung Mey Schmitz vom Tourismusbüro Pays de Vesdre  dazugeholt und das funktionierte dann sehr fabelhaft.

Verviers und das Museum waren von der Flut 2021 hart getroffen. Das Museum hatte im Untergeschoss Ausstellungsräume oder das Depot – das habe ich nicht ganz verstanden –  und das war komplett geflutet. Im Erdgeschoss, da wo die heutige Ausstellung ist, stand es ca. 30 cm hoch. Man kann nur ahnen, wieviel Schaden das angerichtet hat und wieviel Restaurator*innen im Land damit beschäftigt waren und vermutlich noch sind. Das Museum konnte tatsächlich erst im Januar 2024 (!) wieder eröffnen. Das Untergeschoss wird nun aus Gründen gar nicht mehr genutzt und die reine Ausstellungsfläche im Erdgeschoss ist recht klein und zeigt einen kleinen Querschnitt aus der Sammlung. Caroline Henry sagte, das seien ca. 2%. Es ist ein Querschnitt durch die Genres: Objekte zur Stadtgeschichte, Zeichnungen, Gemälde, Kleinmöbel und viel Keramik und Porzellan vom 14. bis zum 20. Jahrhundert. Ich habe dort einige Gemälde von belgischen Malern gesehen, die ich nicht kannte und  die mir ausgesprochen gut gefielen. z. B. von Maurice Pirenne, Alphonse Asselbergs, Georges Le Brun, Emile Claus.

Es ist ein Neubau im Hôtel de Biolley geplant, in dem mehrere Museen untergebracht werden. Die Fertigstellung ist für 2030 anvisiert.

 

Verviers war mal als Zentrum des Wollhandels und der Textilindustrie eine reiche Stadt. Davon zeugt noch die Architektur: Gründerzeit, Jugendstil unnd ganz selten zwischendurch mal ein bisschen Nachkriegsmoderne. Als die Textilindustrie wie überall zusammenbrach, hat man es wohl nicht geschafft,  der Stadt eine neue Identität zu geben. Derzeit wird viel gebaut – inwieweit das noch mit der Flut zusammenhängt, kann ich nicht beurteilen. Aber noch nirgendwo so viel Leerstand gesehen, teilweise ganze Straßenzüge. Auch ehemals Ketten, wie H&M, etc.

Ich entdeckte noch das große Mural von Roger Leloup. Man kann auch auf eigene Fausteine Streetart-Tour (mit PDF zum Download) unternehmen. Das habe ich nicht gemacht, weil ich wusste, das steht noch für Lüttich auf dem Plan.

Ich nahm ein kleines Mittagessen – den klassischen Croque Monsieur – in der Brasserie Au Vieux Bourg  ein, gleich neben dem Grand Théâtre dem neues Leben eingehaucht wurde, an dem aber immer noch rumgebaut wird.

Ich besuchte noch das Musée Aqualaine, in dem die Geschichte von Wolle und Wasser erzählt wird. Leider ist die halbe Ausstellung wegen Renovierung in diesem Jahr geschlossen. Ausgerechnet der Teil über Mode, der mich besonders interessiert hätte. Aber gut, ich habe was über Wolle, spinnen und weben gelernt. Die Bronzeskulptur des „Le Marchand de Ploquettes“ von Louis-Pierre Wagelmans war mir schon vorher begegnet, was sie aber darstellte, habe ich erst im Museum verstanden. Sie  stellt einen Wollvertreter dar. Der zog von Spinnereien zu Garnfabriken und präsentierte der Kundschaft seine auf Starkpapierzylinder aufgewickelten Wollmuster.

Noch ein kurzer Ringel durch die Stadt, bevor ich mich zu meiner Unterkunft in Jalhay aufmachte.

Chez Bretts

Wir Herbergsmütter haben schon oft erwähnt, dass wir die B&Bs in Belgien sehr lieben. Es ist immer so nett, manchmal skurril, freundliche Herbergseltern, selbstgemachtes Essen aus der Region und immer ein ausgezeichneter Kontakt zu den Einheimischen.

Chez Bretts war wieder so ein Highlight. Geführt von Richard und Mariane im ehemaligen Hof von Marianes Großeltern, am Dorfausgang von Herbiester. Richard ist Musiker und kommt aus England, Mariane ist Sammlerin und Künstlerin. Sammlerin! Sie sammelt alles: Gummistiefel, Gehstöcke, Hüte, Kunst, Bücher, Musiktruhen, Grammophone, Puppengeschirr, Kindernähmaschinen, alte Brettspiele, etc. Das Haus ist ein vollgestopftes, bewohnbares Museum.  Die beiden sind zwei herzliche, quietschvergnügte und kreative Menschen. Fünf Zimmer gibt es, alle unterschiedlich, kreativ und mit Kunst eingerichtet. Funfact: Als mir Barbara Buchholz die erste Planung schickte, überkam mich eine dunkle Erinnerung, das mir das alles irgendwie bekannt vorkam. Als ich dann dort war, wurde mir klar, dass ich hier vor ca. 15 Jahren schonmal war!

Freitags und samstags wird von Mariane gekocht. Da ich meine erste Übernachtung am Donnerstag hatte, aß ich abends im fußläufig erreichbaren Au Vieux Hêtre und hatte dort das beste Steak, das ich seit Jahren gegessen habe. Das dunkle Val-Dieu war lecker, zum Essen hätte ein herberes Bier etwas besser gepasst. Der kurze Rückweg über einen Feldweg bescherte mir noch ein herrliches Sonnenuntergangs-Postkartenmotiv.

Zum Frühstück gab es als britische Reminiszenz die wunderbaren englischen Zitronen- und Orangenmarmeladen.

Am Freitagabend gab es ein viergängiges Menü. Zu Gast waren außerdem zwei Freundinnen der Familie und Marianes 94-jähriger Vater. Es war herrlich! Wir sprachen viel über Musik und Kunst in einem wilden französisch/englischen Sprachgewirr, aber wir haben uns alle fabelhaft verstanden. Die beiden Freundinnen brachen irgendwann auf, Richard ging zu Bett, Mariane und ich tauschten uns noch bei einem köstlichen, mehr oder weniger 20 Jahre alten Rum aus Martinique weiter über das Leben, Paris, Design und Kunst aus, bis ihr gegen Mitternacht auffiel, dass sie noch ihren Vater nach Haus fahren musste. Ein herrlicher Abend!

An beiden Abenden machte ich noch einen kleinen Spaziergang rund ums Dorf.

Am nächsten Morgen ging es nach Spa. Dazu später mehr.


Bei Wibke könnt ihr schon was über das Herver Land lesen, bei Anke über den Besuch einer Fromagerie im Weiler Watrinsart.

2 Kommentare

  1. Wunderbar, liebe Ute! Irgendwie läuft Deine Tour wie ein kleiner Film in meinem Kopf los, vielleicht auch wegen Deiner Herbergseltern. Was für Begegnungen! Verviers – ich muss da auch mal hin. Eigentlich verrückt, dass Orte mit Wohnungsnot und horrenden Mieten und solche Orte, in denen es die Substanz und die Luft gäbe, um etwas Lebendiges zu schaffen, oft so nah beieinander liegen. Ob sich vielleicht durch die bessere Bahnanbindung an Aachen etwas entwickelt?

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