Spurensuche Tag 4 – Lommatzsch

Irgendwie erinnere ich mich aus den Erzählungen meiner Oma an den Namen Lommatzsch. In welchem Zusammenhang weiß ich leider nicht mehr. Lommatzsch ist die Stadt in der Lommatzscher Pflege.

Die Lommatzscher Pflege ist eine historisch gewachsene Region, deren Name seit 1517 in einer Stiftungsurkunde zugunsten des Klosters Meißen belegt ist.
Der Begriff
Pflege” bezeichnete im mittelalterlichen Feudalwesen einen Bezirk, der einem grundherrlichen Beamten zur Verwaltung übergeben wurde. Später wurde dies die allgemeine Bezeichnung für einen kleineren Verwaltungsbezirk. Bis heute hat sich – wie bei der Lommatzscher Pflege – der Begriff als Landschaftsbezeichnung erhalten.

Ich besuchte zuerst das kleine Heimatmuseum, das zwar rührig, aber doch arg strubbelig ist und keinerlei Ansatz zu irgendwelcher Recherche bietet. Ich bekam eine Adjutantin an die Seite gestellt, die mich durch das Haus führte und die eine oder andere Information einwarf. (Sie wartete sogar auf mich, als ich auf dem Weg zum Ausgang mal aufs Klo musste). Sie war erst recht mürrisch, taute dann im Gespräch aber merklich auf und war dann sehr freundlich. (wie sehr viel Sachsen übrigens) Es stellte sich heraus, dass sie selber erst seit vier Jahren in Lommatzsch lebt und mir somit keine konkreten Frage zur Vergangenheit der Stadt beantworten konnte.

Vor ein paar Wochen hatte ich mich im Rathaus per Mail schon nach Geburtsurkunden erkundigt und wurde an Meißen verwiesen, ich wollte mich nun noch nach einer Sterbeurkunde erkundigen, aber die sind auch schon im Archiv in Meißen, die Mitarbeiterin verwies mich an das Sekretariat, als ich mich nach historischen Publikationen erkundigte, ich sprach dort vor und dann schaltete sich auch die Bürgermeisterin höchstselbst ein. Die hat aber überhaupt nicht verstanden, was ich wollte. Sie rasselte was von Kirchenbüchern, Ortsadressbüchern und Archiven runter, aber mich interessieren doch auch die Geschichten hinter der Geschichte, die Historie, der Background. In Lichtenberg (~2800 Einwohner) bekam ich eine fast 400 Seiten dicke Stadtchronik, die zum 800-jährigen Stadtjubiläum erstellt wurde, da muss es doch in einer Stadt mit über 5.000 Einwohnern, die 1286 erstmalig erwähnt wurde, irgendwelche Publikationen geben! Aber man wollte irgendwie nicht. Man verwies mich ans Heimatmuseum und als ich sagte, dass ich gerade von dort käme und dass es dort ja etwas strubbelig sei, wurde ich angezischt, das würde ja auch von Ehrenamtlichen geführt. (was im Übrigen eine freche Herabwürdigung ehrenamtlicher Arbeit ist!) Ist es süffisant, wenn ich erwähne, dass die Bürgermeisterin der FDP angehört?

Ich will das Engagement dieser Menschen im Heimatmuseum gar nicht schmälern, aber wenn es zu nüscht führt, hilfts halt auch nicht.

Ich machte meinen üblichen Gang zur Kirche und zum Friedhof. In der Kirche, die erfreulicherweise offen war, stieß ich auf ein paar kopierte Hefte, die von den Konfirmanden erstellt wurden. Gegen das Vergessen, haben die jungen Leute fabelhaft recherchiert, Material zusammengetragen, Interviews geführt. Super Engagement vom Pfarrer!

Ich hatte schon herausgefunden, dass es am Ort auch eine Bibliothek gibt, also stiefelte ich dorthin. Die befindet sich im Schützenhaus und dort in der – tadaaa! – Terence Hill Bar!

Terence Hill, aka Mario Girotti hat als Kind zwei Jahre in Lommatzsch gelebt, seine Mutter stammte aus Dresden und sein Vater hat von 1943-1945 als Chemiker für die Schering AG gearbeitet. 1995 hat er Lommatzsch erstmalig wieder besucht und einen schönen Eintrag ins Gästebuch gemacht. (Liegt im Heimatmuseum) Dieser Terence Hill wird in Lommatzsch natürlich gefeiert.

In der Bibliothek also fand ich leider auch kein Publikationen zur Region, aber eine ganz reizende Mitarbeiterin, mit der ich einen Schwatz hielt und als ich meine Geschichte erzählte, fiel ihr ein, dass eine Bekannt von ihr mal in dem Haufendorf gelebt hat, wo meine Ururgroßeltern lebten. Die sei zur Zeit in Kur, aber wenn sie wieder da sei, würde sie sie fragen. Ich habe meine Adresse dagelassen.

Wir rätselten dann noch gemeinsam, ob meine Oma wohl in Lommatzsch zur Schule gegangen sein, aber dann kam eine weitere Mitarbeiterin hinzu und meinte, nein, dass müsse dann in Neckanitz gewesen sein. Dieser Ortsname klingelte zwar so gar nicht in meinen Ohren, aber ich fuhr hin und in diesem Haufendorf steht eine wunderhübsche kleine Dorfkirche, wie aus dem Bilderbuch, direkt gegenüber ist die ehemalige Schule, die heute ein Wohnhaus ist.

Diese Kirche war natürlich wieder zu, aber es sprang mich eine Gedenktafel an:

Sei getreu bis an den Tod
Unseren gefallenen Helden 1914-1918

Unter den 24 Namen der meines Ururgroßonkels (?, der jüngste Sohn meiner Ururgroßeltern)

Und hier fängt die Geschichte quasi an, die zu der speziellen Biografie meiner Oma führte.

 


Nachtrag, 27.10.2017

Heute bekam ich einen Anruf von der Bibliothekarin! Sie hatte sich das alles gemerkt, hat mit ihrer 91-jährigen Freundin gesprochen, die sich aber nicht mehr an meinen Ururgroßvater erinnern konnte, nur noch an die Leute, die danach in dem Haus gewohnt hatten. Diese wunderbare, bezaubernde Bibliothekarin hat dann noch mit zwei, drei weiteren Leuten telefoniert, um vielleicht was über meine Vorfahren herauszufinden und hatte, wie sie mir versicherte, selber viel Spaß an dieser Recherche und kam mit Menschen zusammen, die gerne etwas von früher erzählten.

Also, ich habe nichts neues über meine Familie erfahren, bin aber ganz verzaubert, von diesem echten, ernsthaften Interesse und dieser Verbindlichkeit. “Ich hatte es Ihnen ja versprochen”. <3

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert