Serienjunkie: Chernobyl, Treason, Teheran

Ich bin ja Serienjunkie und teile das was ich sehe mitunter ganz gerne, stelle aber gerade fest, dass ich manchmal mehr zu sagen habe, als in einen Tweet, oder neuerdings Toot passt. Und weil ich gerade was gucke, was mich sehr bewegt, schreibe ich das mal hier auf und zukünftig vielleicht auch öfter. Und außerdem komme ich ja auch gerne von Höcksken aufs Stöcksken. 😉

Ich habe gerade Chernobyl geschaut. Die US-amerikanisch-britische  Miniserie von 2019 beschreibt die Nuklearkatastrophe von 1986 und ich stellte fest, dass ich überhaupt keine Erinnerung daran habe, also daran, was das mit mir gemacht hat. Ich war da knapp 20 Jahre alt, also bei vollem Bewusstsein, aber ich kann mich nicht daran erinnern, wie ich das damals wahrgenommen habe, ob wir im Freundeskreis darüber gesprochen haben, ob sich unser familiäres oder mein Verhalten geändert hat. Ganz diffus erinnere ich mich, dass wir eine Weile bestimmte Dinge nicht mehr gegessen haben, aber das war es auch.  Sehr seltsam, aber manchmal hat man vielleicht so schwarze Löcher im Gedächtnis.

Die Serie zeichnet minutiös den Ablauf der Katastrophe nach. Von kurz vor dem Vorfall, die folgenden Tage, Wochen und Monate, bis zum Prozess 1987, bzw. bis zur Selbsttötung von Waleri Alexejewitsch Legassow.  Sie ist sehr gut gemacht, mit ausgezeichneten Schauspieler*innen und sehr beklemmend. Wie zu Anfang versucht wurde, das Ganze runterzuspielen, zu vertuschen. Wie diese Apparatschik-Diktatur seine Bürger*innen klein und unwissend gehalten und belogen hat Wie heute. Die Umsiedelung der Menschen von Prypjat. Das Schicksal der Menschen dort, exemplarisch an einigen Figuren nachgezeichnet. So einen Vorfall hatte es ja nie zuvor gegeben und man rauft sich die Haare, wenn man dabei zusieht, wie damals dort versucht wurde, der Lage Herr zu werden. Wie kontaminierte LKW mit Seifenlauge abgewaschen wurden, wie die Erde umgegraben wurde, etc.

Es gibt eine paar harsche Kritiken zur Serie, die finde ich zum Teil aber sehr picky. Gut, es ist eine u. a. US-Produktion und soll ja auch keine Dokumentation sein. Außerdem werden im Abspann der letzten Folge einige Dinge erläutert.

Vor einigen Wochen las ich Die andere Hälfte der Hoffnung von Mechtild Borrman, wo die Umsiedlung der Menschen aus Prypjat auch eine Rolle spielt. Sehr empfehlenswert, wie alles von ihr.

Auch dachte ich wieder an die Fotos von Volker Kreidler, die ich voriges Jahr in der Kunsthalle Karlsruhe gesehen habe. Er hat 2016 mit seinem Fotoprojekt Third Landscape dokumentiert, wie sich die Natur in Prypjat ihren Raum zurückerobert.

Vor Chernobyl hatte ich Teheran gesehen, auf das ich über Treason aufmerksam wurde. Ich habe schon als Teenager Spionagethriller verschlungen. Mein Vater hatte die gerne gelesen und ich habe die mit 13, 14 Jahren entdeckt und alles gelesen, was mir da in die Finger geriet. Da war ich sehr happy, mal wieder eine gute, alte, klassische Spionagegeschichte zu entdecken. Ohne viel überladener Action, Autoverfolgungsjagden und ähnlichem Tamtam. Danach also Teheran, eine israelische Serie von 2020, in der sich eine junge Hackerin die für den Mossad arbeitet, in den Iran schmuggelt, um irgendwas zu hacken und dann geht alles schief. Die erste Staffel ist großartig. Gute Geschichte, sehr spannend, tolle Schauspieler:innen. Und auch hier – jetzt kommt die Kurve zu Chernobyl – die Beklemmung, die von dem totalitären Unrechtssystem herrührt, das nur auf Bedrohung, Angst, Brutalität und hierarchischem nach oben buckeln, nach unten treten beruht. Interessanterweise steht gar nicht die Religion im Vordergrund.

Ich weiß gar nicht viel über den Iran und das alltägliche Leben dort und fand es deshalb auch sehr interessant zu sehen, wie sich junge Menschen dort ihre Freiräume einrichten. (In wie weit das der Realität entspricht kann ich natürlich nicht beurteilen.) Die #IranRevolution sehe ich dadurch nochmal mit anderen Augen.

Die zweite Staffel ist so lala. Sie ist zwar auch recht spannend und die fabelhafte Glenn Close spielt mit, aber Anmutung und Atmosphäre sind ganz anders, die Figuren werden z. T. etwas seltsam, doofe Actionelemente wurden hinzugefügt, man orientierte sich da wohl mehr an internationale Durchschnittsware.

 

 

2 Kommentare

  1. Liebe Ute,

    oh ja, Tschernobyl, ich war zu dieser Zeit mit meinem Studienabschluss total absorbiert, aber ich weiß auch noch, dass wir vollkommen aufgelöst waren. Einige Jahre zuvor war ich in einer Aktivisten-Gruppe für den Umweltschutz aktiv und wir haben uns ständig um Vergiftung der Umwelt Gedanken gemacht. Die Serie klingt spannend, bestimmt ein gutes Storytelling.
    Und auch wenn ich so düstere Serien oft nicht gut aushalten kann, lass ich mich vielleicht drauf ein, nachdem du das so gut beschrieben hast.

  2. Ja,, Tschernobyl, zwei Jahre nach When the Wind blows. Ich erinnere mich an die Tagesschau, an riesige Pilze, und an alles mögliche im Wald, das man nicht essen durfte. Und, schon damals: an den Versuch, die Menschen in der Sowjetunion dumm zu halten. Danke!

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